Unna. . Er war Mitarbeiter von Arbeitgeber-Präsident Hanns Martin Schleyer - dann wurde sein Chef 1977 von der RAF entführt und ermordet: Der Unnaer Dr. Horst Sander erlebte den Terror hautnah mit. Noch heute erinnert er sich, mit welch drastischen Maßnahmen die Polizei seine Familie zu schützen versuchte.

Die Tage zwischen dem 5. September und 18. Oktober 1977 veränderten die Republik. Der so genannte Deutsche Herbst erlebte Mitte Oktober vor 35 Jahren seinen Höhepunkt.

Im somalischen Mogadischu befreite die GSG 9 deutsche Urlauber aus einer von Palästinensern gekidnappten Lufthansa-Maschine. In Stuttgart Stammheim brachten sich am 18. Oktober die Spitzen der Roten Armee Fraktion (RAF), Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, um. Einen Tag später fand man die Leiche des am 5. September entführten und am 18. Oktober erschossenen Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer.

Entführt trotz Personenschutz

„Das waren ganz schlimme Wochen für mich und meine Familie“, sagt der Unnaer Dr. Horst Sander. Er war Schleyers engster Mitarbeiter beim Arbeitgeber-Verband in Köln. Am Mittag des Entführungstages habe er sich von Schleyer verabschiedet. Sander brach auf nach Baden-Baden, wo er eine Tagung von Firmenchefs leiten sollte. Schleyer hatte geplant tags drauf nach Schweden zu fliegen, erinnert sich Sander. Die Tagung lief, als plötzlich Sanders Fahrer kreidebleich in den Sitzungssaal stürmte und den Unnaer heraus bat. „Das hat er noch nie gemacht. Ich dachte erst, das Auto wäre gestohlen worden.“

Schleyer sei entführt worden, eröffnete der Chauffeur seinem Chef. Der konnte es zunächst nicht glauben, hatte der Arbeitgeber-Präsident doch Personenschutz durch Kriminalbeamte. Selbst der Fahrer Schleyers sei in den Zeiten des Terrorismus bewaffnet gewesen. „Alle bis auf Schleyer sind getötet worden“, sagt der 75-Jährige. Das waren der Fahrer sowie die Beamten im Fahrzeug hinter Schleyers Wagen.

Horst Sander brach die Tagung sofort ab und ließ sich einen kleinen Schwarz-Weiß-Fernseher aufs Hotelzimmer kommen. Noch in der Nacht fuhr Sander nach Köln zurück. „Wir haben umgehend einen Krisenstab gebildet. Dass Schleyer von der RAF entführt wurde, haben wir uns gedacht.“

Ein Dutzend Verhaltensregeln

In Unna, die Sanders wohnten damals im Kiefernweg in der Gartenvorstadt, bekam er Besuch von der politischen Polizei aus Hamm. Das Leben der Sanders änderte sich von einem Tag auf den anderen. „Wir bekamen einen Katalog mit rund einem Dutzend Verhaltensregeln“, sagt der Volkswirt. Beispielsweise sollte das Licht im Haus Tag und Nacht leuchten.

Wenn er oder die Familie aus dem Haus gingen, dann nie zu festen Zeiten. „Zur Arbeit nach Köln sollte ich immer unterschiedliche Routen fahren.“ Den Zettel mit den Regeln der Polizei habe er noch heute. Die Polizei habe regelmäßig vor dem Haus der Familie gestanden. „Alles, was uns verdächtig vorkam, sollten wir sofort melden.“ „Am schlimmsten aber war der psychische Druck, den die ganze Sache in den fünf Wochen verursachte.“ Er habe Jahre gebraucht, um die Geschehnisse von damals zu verarbeiten.