Unna. . Im Aufnahmelager Unna-Massen kümmern sich Helfer des Deutschen Roten Kreuzes um Hilfsbedürftige. So wie schon 1999, als viele Kosovo-Flüchtlinge dorthin kamen. Zehn Jahre später wurde das Lager still gelegt - bis jetzt. Denn der Andrang an Flüchtlingen ist groß.

Delfija ist ein fröhliches Mädchen, lächelt und winkt den Menschen zu. Scheu kennt sie nicht, Neugier ist ihr ins Gesicht geschrieben. Nur die Menschen, die Delfija so freundlich anlächelt, versteht sie nicht. Die Siebenjährige ist mit ihrer Mutter aus Serbien gekommen und lebt seit dieser Woche in der Notunterkunft in Unna-Massen.

231 Menschen sind dort auf dem Gelände der ehemaligen Landesstelle untergebracht. Aus Serbien, Mazedonien und dem Iran stammen die Bewohner der Häuser, die im Jahr 2009 mit dem Ende des Auffanglagers eigentlich stillgelegt wurden. Eigentlich, denn seit Freitag vergangenen Woche ist wieder Leben eingezogen. Im Eilverfahren haben Helfer des Roten Kreuzes Unterkünfte für 50 Flüchtlinge aus den überfüllten Einrichtungen in Dortmund in einem leerstehenden Kindergarten hochgezogen.

Feldbetten, Wolldecken, Hygieneartikel und Lebensmittel – alles stand innerhalb von nicht einmal 24 Stunden bereit. Nur mit dem Wasser haperte es. Es war nicht gewährleistet, dass das Wasser, welches durch die seit Jahren stillgelegten Leitungen kommt, auch Trinkwasser ist. Bis das Testergebnis die Notunterkunft erreichte, mussten die Menschen auf Toilettenhäuschen und Duschzelte ausweichen. Nun läuft das Wasser, wenn auch nur kaltes, auch in den sechs grauen Häusern, die reaktiviert wurden. Dorthin konnten die Flüchtlinge aus den beengten Kindergarten-Schlafsälen in eigene kleine Zimmer umziehen.

Sohn in Pristina getötet, Haus zerstört

Unter ihnen auch Olica S. aus dem Kosovo. Die 61-Jährige ist eine dürre, kleine Frau, vielleicht 1,60 Meter groß, die die Kapuze ihres Parkas fest um das Gesicht zugezogen hat. „Ich friere sonst so, mir wird so schnell kalt.“ Es ist nicht ihr erster Aufenthalt in Deutschland: „In den 70er Jahren habe ich in der Schokoladenfabrik bei Trumpf gearbeitet“, erzählt sie. Damals habe sie ihren Mann kennengelernt, Tochter Renate kam zur Welt. Doch die Ehe war eine „schlechte Liebe“ wie Olica S. sagt.

Mit Gesten deutet sie an, wie ihr Mann sie behandelt hat. Es folgten die Rückkehr in den Kosovo und die Scheidung. Olica S. versuchte, sich allein über Wasser zu halten. „Doch dann kam der Krieg und es gab keine Arbeit mehr.“ Sie möchte so gern zu Tochter Renate nach Hagen. „Ich weiß, dass zu viele Roma in Deutschland sind. Dass das zuviel kostet, aber was soll ich denn machen?“, fragt S. Sie erzählt, bei Ausschreitungen sei ihr Sohn getötet und ihr Haus zerstört worden. „Seitdem habe ich nichts mehr. Wenn ich zurück nach Pristina muss, dann lebe ich auf der Straße.“

Ehrenamtliche Helfer engagieren sich für die Flüchtlinge

Einer, der die Situation im Kosovo kennt ist Thomas Sieniawski (46) vom DRK-Kreisverband Hamm. Er steht in Massen an der Essensausgabe. „Ich war 1999 schon einmal hier, als die Kosovo-Flüchtlinge kamen“, berichtet er. Das Schicksal der Flüchtlinge habe ihn seitdem nicht losgelassen: „Acht Mal war ich seitdem im Kosovo, habe mehr als 37 Tonnen Hilfsgüter verteilt.“

Aus den unterschiedlichsten Kreisverbänden kommen die ehrenamtlichen Helfer in Unna-Massen zusammen. Da alle nur wenige Tage von ihren Arbeitgebern freigestellt werden, wechseln sich die Verbände ab. Die Verständigung mit den Flüchtlingen läuft auf Deutsch, Englisch, Französisch, mit Händen und Füßen. Dolmetscher unterstützen die Einsatzkräfte. „Das Essen ist so gut hier“, lobt Zoran D. Gemeinsam mit seinem jüngsten Sohn Bozo ist er aus Serbien gekommen. Sie teilen sich eines der kleinen Zimmer. Sohn Bozo (17) hat sein Bett akkurat gemacht, seine Hygieneartikel der Größe nach am Kopfende aufgestellt. Er trägt Hemdkragen unterm Pullover. Stolz ist der Vater auf seinen Jüngsten, der eine „sehr gute Ausbildung zum Automechaniker gemacht hat“. Beide möchten gern in Deutschland bleiben. Vor allem Bozo, der Autos wegen. Opel ist sein Favorit.

Wie alle anderen haben auch Vater und Sohn eine große „Patienten-Anhängetasche“ um den Hals. Auf dem DIN A4 großen Blatt sind zum Beispiel Name oder Alter vermerkt. „Eigentlich wurden die Anhänger für große Unfälle konzipiert“, erklärt DRK-Pressesprecherin Nina Heckmann. „Hier dienen sie als Ausweispapiere, mit denen sich die Menschen auch an der Ausgabe Dinge des täglichen Bedarfs abholen können.“

Wie es für die Menschen weitergeht, steht noch nicht fest. Bislang, so heißt es, soll die Unterkunft in Massen nur für rund vier Wochen öffnen. „Die Menschen werden so schnell wie möglich in eine der Erstaufnahmestellen verlegt, um sie dann in die Kommunen zu vermitteln“, erklärt Christoph Söbbeler, Sprecher der Bezirksregierung. Erst wenn sie dort angekommen sind, kann über ihre Asylanträge entschieden werden.