Lüdenscheid. . Das Elterngeld soll nach der Geburt eines Kindes einen guten Start in das neue Familienleben bieten. Doch der Lüdenscheider Marc Blumberg wurde stattdessen arbeitslos. Er zog vor Gericht - und bekam Recht.
Marc Blumberg war 37, als sein erstes Kind im März 2008 zur Welt kam. Eine Tochter. Und weil der Lüdenscheider viele besondere Momente in diesem neuen Leben mit ihr genießen wollte, die Arbeit als Vertriebsleiter in einer Unternehmensberatung in Dortmund aber wenig Zeit dazu ließ, war irgendwann für ihn klar: Ich nehme Elternzeit. Seinem Chef teilte er das Ende August 2008 mit – und schlug auch gleich als Datum die Monate Dezember bis Februar vor. „Weil das eine Zeit war, in der eh weniger los ist und dies für den Geschäftsalltag nicht schädlich gewesen ist“, sagt der Betriebsingenieur. Doch statt einer Bestätigung seines Arbeitgebers kam gut drei Wochen später die Kündigung.
Weil ihm auch die noch ausstehenden Provisionen nicht gezahlt werden sollten, so Blumberg, zog der Familienvater schließlich vor Gericht. Mit Erfolg: Sowohl das Arbeitsgericht Iserlohn als auch das Landesarbeitsgericht Hamm gaben ihm schließlich Recht. Da die Kündigung wegen Anmeldung der Elternzeit gegen das so genannte „Maßregelungsverbot“ verstoße, musste der Arbeitgeber ihm jetzt entgangene Gehälter für mehr als zwei Jahre nachzahlen.
Für Blumbergs Anwalt Peter Seyfried ist das Urteil wegweisend: „Die Entscheidung sollte Arbeitnehmern Mut machen, auf die Geltendmachung ihrer Rechte nicht wegen denkbarer Sanktionen, etwa einer Kündigung, zu verzichten“, kommentierte er.
Gericht war überzeugt von „Maßregelung“
Dabei war seinem Mandanten zunächst gar nicht bewusst gewesen, dass die Kündigung nicht rechtens gewesen sein könnte, weil sie kurz nach seinem Wunsch nach Elternzeit ausgesprochen worden war. „Darauf hatte mich erste eine junge Richterin gebracht, die sich nach der Erkrankung eines Kollegen in den Fall eingearbeitet hatte“, sagt Marc Blumberg. In seinem Urteil zeigte sich das Gericht jedoch „davon überzeugt“, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis „wegen der Ausübung des Rechts des Klägers auf die gesetzliche Elternzeit“ gekündigt habe. „Dafür sprechen die zeitlichen Abläufe, die eine entsprechende tatsächliche Vermutung begründen.“
„Kein Einzelfall“, meint Michael Mühle, Rechtssekretär der IG Metall NRW. „Das ist sehr vergleichbar mit Betriebsratsgründungen. Da sagt auch keiner, dass ein Mitarbeiter gekündigt wurde, weil er einen Betriebsrat gründen wollte. Und dann werden irgendwelche anderen Gründe vorgeschoben.“
„Partnermonate“ sollen Väter motivieren
Mit dem Elterngeld soll es Müttern und Vätern erleichtert werden, sich nach der Geburt eine berufliche Auszeit zu nehmen. Es wird für maximal 14 Monate gezahlt. Der Zeitraum kann zwischen den Eltern aufgeteilt werden.
Eine aktivere Rolle von Vätern bei der Erziehung war eines der ausdrücklichen Ziele des Elterngeldes. Dazu sollen „Partnermonate“ beitragen: Bei Berufstätigen verlängert sich die Bezugsdauer von 12 auf 14 Monate, wenn beide Partner mindestens zwei Elternmonate in Anspruch nehmen.
Das Elterngeld ersetzt 67 Prozent des bisherigen Nettoeinkommens. Es beträgt mindestens 300 und maximal 1800 Euro.
Infos: www.bmfsfj.de
Gerade im Fall „Elternzeit“ gebe es jedoch nicht nur bei den Chefs, schon bei den Betroffenen selbst „die Schere im Kopf“: „Viele haben Angst und glauben, dass ihr Arbeitgeber sie rausschmeißt, wenn sie Elternzeit beantragen. Auch wenn das natürlich gar nicht rechtens wäre“, meint Mühle.
Seinem Eindruck nach sei Elternzeit bei Frauen gesellschaftlich zwar schon akzeptiert. Bei Männer herrsche jedoch noch oft die Angst vor, dass ihre Karriere in seinem solchen Fall beendet sei. Und diese Sorge sei offenbar nicht ganz von der Hand zu weisen: „Ich hatte konkret einige, denen der Arbeitgeber gesagt hatte: ‘Das kann unser Betrieb nicht verkraften, wenn Sie einige Monate nicht da sind.’ Und: ‘Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie bei uns danach noch viel werden.’“
Was er Betroffenen, die entsprechende Zukunftsängste schon im Vorfeld hegen, rate? „Ich sage allen, die ihr Recht in Anspruch nehmen wollten, dass man nichts ausschließen kann. Aber dass man sich im Zweifel erfolgreich dagegen wehren kann. Ob der Mensch es dann wagt, hängt von seiner individuellen Stärke ab und wie konfliktbereit er ist.“
Jetzt alleinerziehender Vater
Marc Blumberg hat es jedenfalls gewagt. Hat sich einen Anwalt genommen, hat monatelange Verhandlungen über sich ergehen lassen und Jahre gewartet, bis er jetzt das ihm zustehende Geld bekommen hat. Doch der Preis, den er dafür gezahlt hat, ist hoch: Nachdem er lange Zeit arbeitslos war, der Schuldenberg stieg und er darüber krank wurde, zerbrach auch seine Ehe. Doch inzwischen kann Marc Blumberg wieder positiv in die Zukunft schauen: Für seine Tochter, die jetzt vier Jahre alt ist, hat er das Sorgerecht bekommen. Und auch eine neue Stelle hat er endlich wieder in Aussicht. Dass er alleinerziehender Vater ist, hat er seinem künftigen Chef jedoch verschwiegen. „Die Angst, dass mir das negativ ausgelegt werden könnte“, sagt er, „ist zu groß.“