Washington. . Die Beweislast war erdrückend, die Anklagestrategie plausibel, die Theorie der Verteidigung stand auf zu dünnem Eis. Der Schuldspruch für Dr. Conrad Murray ist nachvollziehbar.

Trotzdem hinterlässt dieser zum Prozess des Jahres stilisierte Gutachter-Streit der medizinischen Wisser und Besserwisser, in dem vieles ausgeblendet wurde, was zur Gesamtschau nötig gewesen wäre, ein schales Gefühl.

Conrad Murray ist nicht das, was der große Michael Jackson in einem seiner vielen Hits einmal einen „Smooth Criminal“ nannte, einen geschmeidigen Gauner. Über die Prozessdauer erschien einem der schlaksige Mann mit dem ausdruckslosen Gesicht eher selbst wie ein Fall für die Couch. Wie ein von Geldgier Getriebener, der das nahende Unheil eigentlich qua Fachkunde früh gesehen haben muss, der aber nicht den Entzug eines satten Honorars für die medizinisch längst überfällig gewesene Entwöhnung eines Mehrfach-Abhängigen eintauschen wollte.

Kein Arzt - sondern ein Dealer

Murray war - ungeachtet des Urteils - in den zwei Monaten vor Jacksons Tod kein Arzt. Sondern ein Dealer, der dem Junkie auf Bestellung stetig den Stoff besorgte und auch noch selber in die Vene jagte: Propofol, die trübe, gefährlich Milch, die für Stunden verdrängt, was der Tag hinterließ. Conrad Murray ist dem nimmermüden Drängen des Ausnahmekünstlers, der Bataillone von Ärzten verschlissen hatte, nach immer mehr chemisch erzeugter Befreiung von Erwartungsdruck und Seelenpein erlegen. Anstatt klipp und klar nein zu sagen. Und sich zu verweigern. Und mit Macht das zu organisieren, was Michael Jackson bis zuletzt versagt blieb: umfassende Hilfe, die Ursachen bekämpft und nicht Symptome. Hilfe, die am Menschen Jackson interessiert war, nicht am Funktionieren seines Körpers.

Der Clan - Jacksons bucklige Verwandtschaft

An dieser Stelle kommt die gelinde gesagt bucklige Verwandtschaft des Künstlers ins Spiel. Anstatt sich in Demut zu üben und die eigenen, bis zur unterlassenen Hilfeleistung reichenden Versäumnisse beim schleichenden Niedergang ihres Bruders/Sohnes einzuräumen, wollte der Jackson-Clan von Anfang nur eines: Murray hinter Gittern sehen. Dass Jackson Zeit seines Lebens von einer Kindheit traumatisiert war, die einem straff geführten musikalischen Familienzirkus glich, den der geldgierige Vater mit Prügel und Liebesentzug von Aufführung zu Aufführung hetzte, sollte aber nicht vergessen werden. Vielleicht war es die Geburtsstunde für Jacksons chronische Abhängigkeit von Stimmungsaufhellern und Beruhigungsmitteln, die am Ende wohl nur gegen seinen erklärten Willen hätte therapiert werden können.

Erfolgreich wie nie

Außen vor blieb im Gericht von Los Angeles auch das ungesunde Zusammenspiel all derer, die mit der „cash cow“ Jackson, der vor seinem Tod ein Wrack war, rücksichtslos blendende Geschäfte machten und dabei die endgültige Zerrüttung der Psyche und der Physis des Mannes billigend in Kauf nahmen.

Jackson ist – Ironie der Geschichte – heute so erfolgreich wie nie. Seine alten Platten verkaufen sich wie geschnitten Brot, neue kommen in den nächsten Jahren auf den Markt. Posthum Einnahmen in Milliardenhöhe. Die Schulden sind getilgt. Für seine Kinder ist mehr als gesorgt. Nur einen Vater haben sie nicht mehr. Weil chronische Schlafstörungen zur falschen Zeit am falschen Ort vom falschen Arzt falsch behandelt wurden.