Essen. . Umfragen zufolge sind die Jugendlichen von heute die glücklichsten Menschen des Landes. Doch der Schein trügt: Viele junge Erwachsene haben Zukunftsangst und befürchten, nach dem Schulabschluss keinen Job zu finden. Wie berechtigt sind diese Zweifel?
Die Jugendlichen von heute sind fröhlich und sehen ihre berufliche Zukunft optimistisch. So könnte das Resultat lauten, kombiniert man die Ergebnisse zweier aktueller Umfragen.
Geht es nach dem „Pro7-Glücks-Report“ sind die 13- bis 18-Jährigen die glücklichsten Menschen der Republik. Und die R+V-Versicherung verkündet: Die Angst vor Arbeitslosigkeit ist so gering wie nie zuvor. Auch die jüngste Shell-Jugendstudie hat ermittelt: 59 Prozent der Zwölf bis 25-Jährigen bezeichnen sich als „zuversichtlich“. Klingt perfekt. Aber was ist dran?
Bastian Schramm (18 Jahre): „Früher war es einfacher"
Ihre eigene Meinung haben fünf Essener Jugendliche. Die Schüler, alle 18 Jahre alt, machen nächstes Jahr ihr Abitur an der Gesamtschule Holsterhausen. „Ich finde nicht, dass wir die glücklichste Generation sind“, sagt Bastian Schramm. „Früher war es einfacher. Da war klar, dass man einen Job bekommt, wenn man studiert hat.“ Nils Stausberg teilt die Ängste von Bastian: „Der Konkurrenzkampf wird immer härter.“ Am meisten fürchte er sich vor der Leistungsgesellschaft, sagt Bastian: „Jeder will viel Geld verdienen. Die Firmen suchen nur die Besten.“
„Vor zehn, fünfzehn Jahren waren sich die jungen Leute noch sicher ‘Irgendwie klappt der Berufseinstieg schon’“, sagt der Bielefelder Jugendforscher Prof. Klaus Hurrelmann, „heute haben sich die beruflichen Chancen objektiv sehr verschlechtert.“ Dabei ist gerade der Job für viele ein Glücksfaktor. Laut aktuellem „Glücksatlas Deutschland“ ist Arbeitslosigkeit nach Krankheit und Tod des Partners das größte Glückshemmnis.
Der Druck auf die Schüler wirkt sich auf ihren Ehrgeiz aus. Für alle fünf ist ein Abi-Abschluss selbstverständlich: „Ich will so gut wie möglich qualifiziert sein“, sagt Bastian, und Miriam Schätti erzählt: „Mein Vater hat gesagt ‚Ohne Abi ist man nichts.’“
Die neue Verbraucher-Analyse der Bauer Media Group und des Springer Verlags bestätigt diese Einstellung. Danach legen 86 Prozent der 15- bis 17-Jährigen großen Wert auf eine gute Ausbildung. Julia Weber sagt: „Wenn ich eine zwei habe, die eine eins hätte sein können, beiße ich mir auf gut Deutsch in den Arsch.“ Bezeichneten sich 2002 noch 76 Prozent der Zwölf bis 25-Jährigen als „fleißig und ehrgeizig“, sind es laut Shell-Jugendstudie heute 83 Prozent.
Eltern und Lehrer hätten daran keinen Anteil, so die Schüler. „Ich mache mir den Druck selbst“, sagt Julia. „Ich trieze mich, dass ich so gut wie möglich bin.“ Miriam ist der Meinung: „Das ist eine Frage von Zeitmanagement.“ Die Schülerin möchte zunächst vor allem eines: einen Studienplatz und etwas Berufliches finden.
Das Ziel heißt: Job mit Spaß und Geld
Ihre Mitschüler wollen aber nicht nur einen Arbeitsplatz. Der Job soll Spaß machen und Geld bringen. „Wenn ich etwas tun würde, wofür ich mich nicht interessiere, wäre ich unzufrieden“, glaubt Julia. Leo Weise findet: „Für einen Job, der wenig Geld bringt, muss ich nicht so lange studieren.“
Ablenkung vom Druck finden die Jugendlichen beim Partymachen. „Unsere Generation würde ich als sehr feierlustig einstufen“, bekennt Bastian. „Was man so mitbekommt, spielt Alkohol eine große Rolle“, sagt Miriam.
„Nicht alle können das schaffen, was sie sich vornehmen“, sagt Klaus Hurrelmann und warnt vor Enttäuschungen. Wachsende psychische Belastungen bei jungen Menschen führt er auf einen steigenden Alkohol- und Medikamentenkonsum zurück. Knapp jeder dritte Jugendliche raucht bei Schwierigkeiten oder greift mindestens gelegentlich zum Alkohol. Zu dem Resultat kommt die Shell-Jugendstudie.
Besonders starke Bauchschmerzen bereitet den Essener Schülern momentan der Doppeljahrgang 2013. Dann werden in NRW die letzten Schüler nach 13 Jahren Abitur machen und die ersten nach zwölf. „Ich habe Angst, dass der Studienmarkt überschwemmt wird mit Leuten“, sagt Nils. Miriam hat deshalb beschlossen: „Ich wollte eigentlich nach dem Abi ins Ausland, aber seit ich das mit dem Doppeljahrgang gehört habe, denke ich ‚Okay, dann nicht’.“
Klaus Hurrelmann prognostiziert: „Die Belastung der Jugendlichen wird wegen des Doppeljahrgangs in den nächsten zwei Jahren schlimmer werden.“ Trotzdem sieht er einen Lichtblick: „Langfris-tig wird der Leistungsdruck zurückgehen. Dann werden aufgrund der demografischen Entwicklung wieder mehr junge Leute gebraucht.“