Bonn. Die Festnahmen von drei mutmaßlichen Islamisten haben am Sonntag die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit in Bonn überschattet. Der Verdacht erhärtet sich jedoch nicht - noch in der Nacht wurden die Männer wieder aus dem Gewahrsam entlassen.
Die Kanzlerin kommt. Der Bundespräsident, der Bundestagspräsident, die Ministerpräsidentin und Hunderttausende von Bürgern. Alle sind beim dreitägigen Deutschlandfest zum Tag der Deutschen Einheit in Bonn dabei. Die Höhepunkte am Montag: Festgottesdienst, Festakt; ab 12 Uhr überträgt das Fernsehen live. Doch auf die große, bunte, heitere Show fiel am Sonntag ein dunkler Schatten. Mit der Festnahme der drei mutmaßlichen Islamisten, ausgerechnet nahe Bonn, verabschiedete sich die Unbeschwertheit vom Festplatz. Neu im Programm sind Ungewissheit und Sorge.
400 000 Festgäste und drei Terrorverdächtige
Krasser können Gegensätze kaum sein: Bei strahlendem Sonnenschein strömen Samstag und Sonntag rund 400.000 Leute in die ehemalige Bundeshauptstadt. Gemessen an den Autokennzeichen, kommen die meisten von Rhein und Ruhr. Die Ausflugslokale, die Schiffe auf dem Fluss, die Rheinbrücken: Alles ist brechend voll.
Das Deutschlandfest zum Tag der Deutschen Einheit ist nicht nur ein Stelldichein der Staatsspitze, es ist auch eine große Familienfeier. Die Leute kommen mit Fahrrad und Kinderwagen. Kunterbunte Luftballons und schwarz-rot-goldene Fahnen am königsblauen Himmel. Auf zehn Bühnen wird Programm gemacht.
Verdacht gegen mutmaßliche Islamisten erhärtet sich nicht
Nichts, absolut gar nichts, deutet auf eine Gefahr hin. Doch die bestand offenbar. Sonst hätte es diese Einsätze nicht gegeben: Samstagnachmittag schlug die Polizei zu. An verschiedenen Orten im Raum Bonn wurden drei Personen im Alter von 22 bis 27 Jahren festgenommen – Männer „aus dem islamistischen Spektrum“, wie es im Polizeibericht heißt. Die Verdächtigen sollen sich illegal Schusswaffen beschafft und damit möglicherweise Anschläge geplant haben.
Auch mit Blick auf das Deutschlandfest zum Tag der Deutschen Einheit am Montag in Bonn seien die Zugriffe erfolgt, bestätigte ein Polizeisprecher am Sonntag. Bei Wohnungsdurchsuchungen seien allerdings weder Waffen noch Sprengstoff gefunden worden. Am Abend um 21.30 Uhr dann die vorläufige Entwarnung: Der Tatverdacht habe sich nicht erhärtet, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Es gebe keine Verdachtsgründe, die eine Untersuchungshaft rechtfertigen würden. Die drei Männer blieben bis um 24 Uhr im Gewahrsam der Polizei Bonn und würden dann wieder auf freien Fuß gesetzt - würden aber weiter beobachtet. "So bleibt sichergestellt, dass von dieser Personengruppe keine Gefahr für die Feierlichkeiten im Rahmen des NRW-Tages und des Deutschlandfestes in Bonn ausgehen wird", teilte die Polizei mit.
„Sicherheit hat höchste Priorität“
Bereits am Nachmittag hatte sich die Bonner Polizei um Beruhigung bemüht. „Es gibt keine konkreten Gefährdungshinweise“, sagte ein Sprecher. Und: „Es wird alles dafür getan, damit das Deutschlandfest sicher ist. Die Sicherheit hat für uns höchste Priorität.“
Rund um die Villa Hammerschmidt wird das deutlich. Dutzende von Polizisten stehen im Hintergrund, als Neugierige ihre Nasen durch Gitterzäune stecken, um einen Blick auf den zweiten Amtssitz von Bundespräsident Christian Wulff zu erheischen. Viele stehen Schlange, um hineinzukommen. Auf dem Anwesen steigt ein internationales Kinderfest. Das Motto: „Freiheit, Einheit, Freude“. Die wenigsten sprechen hier von Polizeieinsätzen, von Islamisten, einer Bedrohung oder Terroralarm.
Nachmittags kommen die Hundertschaften
Nur aufmerksame Festbesucher des Deutschlandfestes zum Tag der Deutschen Einheit ahnen, dass irgendetwas Außergewöhnliches vor sich gehen muss. Wie Michael und Sarah: „Wir haben uns schon gewundert über so viel Polizei“, sagen sie. „So viele Hubschrauber“, wundern sich auch zwei Frauen vom Niederrhein. „All diese Polizisten können ja nicht nur den Verkehr regeln.“ Am Nachmittag mischen sich Hundertschaften unters Volk, immer mehr grüne Punkte in der konfettibunten Masse. Bestimmt hätten viele Leute im Radio von den Verhaftungen gehört, sagt eine Dame. „Diejenigen, die von den Festnahmen wissen, sind wahrscheinlich nicht gekommen.“ Bloß keine Panik, rät der Mann vom Ordnungsamt: „Es ist wahnsinnig viel Sicherheitspersonal vor Ort. Auch sämtliche Rettungsdienste sind vertreten. Hier kann rein gar nichts passieren.“
Die Männer vom Roten Kreuz sind so entspannt, dass sie ihre Liegestühle auf die Dächer ihrer Einsatzwagen gestellt haben. Eckehard Henk von den Johannitern hat von den Festnahmen im Vorfeld des Deutschlandfestes zum Tag der Deutschen Einheit gehört. Doch den aktuellen Informationsstand hätten bei weitem nicht alle hier: „Die Leute wissen es gar nicht, die fragen alle nur nach dem Bayernzelt.“