Krefeld.

Eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren sei für Olaf H. höchst unwahrscheinlich, hat der Richter im Prozess gegen den mutmaßlichen Mörder von Mirco aus Grefrath gesagt – weil der 45-Jährige keine glaubwürdigen Angaben zu seinem Motiv macht.

„Ich will Sie nicht drängen“, sagt Richter Herbert Luczak und wirft dem mutmaßlichen Mörder des zehnjährigen Mirco einen ernsten Blick zu. Aber wenn Olaf H. nicht endlich glaubwürdige Angaben zu seinem Tatmotiv mache, dann sei seine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren höchst unwahrscheinlich, stellt Luczak kurz vor Ende der Beweisaufnahme im Krefelder Mirco-Prozess klar. „Wenn wir es klären können, dann jetzt und hier“, appelliert der Richter am Freitag ein letztes Mal an den angeklagten Familienvater. Der hört aufmerksam zu - und schweigt weiter. „Gut, dann habe ich alles getan“, sagt Luczak, und in seiner Stimme klingt Resignation mit.

Seit dem 12. Juli muss sich der 45-jährige H. wegen des Mordes an dem Jungen aus dem niederrheinischen Grefrath vor Gericht verantworten. Er legte zwar gleich zu Prozessbeginn ein Geständnis ab und gab zu, den Schüler als Zufallsopfer am 3. September 2010 in Grefrath entführt, ihn missbraucht und anschließend mit einer Schnur erdrosselt zu haben. Eine schlüssige Erklärung für die grausige Tat lieferte H. aber nicht. Als Grund für das Verbrechen nannte er später zwar beruflichen Frust, doch als Mordmotiv taugt dies wohl kaum.

Warum also ermordet ein Mann, der bis zu seiner Festnahme im Januar ein gutbürgerliches Leben in Schwalmtal (Niederrhein) führte und als treusorgender Familienvater galt, einen ihm völlig unbekannten Jungen? Diese Frage dürfte das Gericht auch in seinem für Donnerstag erwarteten Urteil kaum beantworten können. Klar scheint lediglich, dass die Staatsanwaltschaft bei den Plädoyers am kommenden Montag lebenslange Haft für H. fordern wird - und dass die Richter diesem Antrag folgen werden.

Krefelder Strafkammer wird möglicherweise die besondere Schwere der Schuld feststellen

Womöglich muss H. auch damit rechnen, dass die Krefelder Strafkammer die besondere Schwere seiner Schuld feststellt. Dann könnte er nach 15 Jahren nicht vorzeitig aus der Haft entlassen werden. Doch auch bei einem „einfachen“ Lebenslänglich würde H. wohl kaum vorzeitig freikommen - nämlich solange ungeklärt bleibt, ob er sich bei dem Mord in einer besonderen Konfliktsituation befand oder ob ihn eine generelle Veranlagung zu einem dauerhaft gefährlichen Gewaltverbrecher machte.

An der Schuldfähigkeit des Angeklagten hatte der psychiatrische Gutachter bei seiner Aussage am Freitag jedenfalls keine Zweifel. Der gerichtliche Sachverständige Martin Albrecht beschrieb H. als „überdurchschnittlich intelligent“ - mit einem Intelligenzquotient von 138 zählt der mutmaßliche Mörder sogar zu den Hochbegabten. Zugleich bescheinigte der Gutachter dem 45-Jährigen jedoch, ein „eher unflexibler Mensch“ mit „Leugnungs- und Verdrängungstendenzen“ zu sein. Ein primäres sexuelles Interesse an Kindern sei bei dem Angeklagten „eindeutig zu verneinen“: „Man kann bei ihm auf keinen Fall sagen, er ist ein pädophiler Mensch.“

Gutachter: Beruflicher Stress könnte Auslöser für die Tat gewesen sein – nicht Ursache

Freilich hielt es der Psychiater für durchaus vorstellbar, dass beruflicher Stress des früher bei einem Bonner Telekommunikationsunternehmen angestellten Angeklagten bei dem Mord eine Rolle spielte - als Auslöser wohlgemerkt, nicht als Ursache. Womöglich habe H. nach beruflichen Kränkungen ein ihm unterlegenes Opfer gesucht, dessen Demütigung ihm ein „Gefühl des Triumphes“ bescheren sollte, vermutete der Sachverständige. Möglicherweise habe der Angeklagte gedacht: „Jetzt möchte ich jemandem zeigen, wie schlecht es einem gehen kann.“

Doch auch nach dem psychiatrischen Gutachten blieb die zentrale Frage nach dem Motiv im Mordfall Mirco vor Gericht unbeantwortet. H. selber habe „sehr wenig zur Aufklärung seiner Motivlage beigetragen“, sagte Gutachter Albrecht. „Sie bleibt zum Teil im Dunkeln.“ Vielleicht habe H. aber auch selbst keine Erklärung für die Tat. „Es kann sein, dass er mit Überzeugung vortragen kann: ‘Ich weiß nicht, warum ich es getan habe’.“ (afp)