Gelsenkirchen. . Eine 13-jährige Ausreißerin aus Oberhausen schaffte in einem Gelsenkirchener Club an. Der ist weiterhin in Betrieb. Der Polizei sind die Hände gebunden, und die Beweislage ist dünn. Ein Besuch am Tatort.
„Bitte schön?!“ Professionell ist die braungeröstete Rezeptionsdame mit dem umgeschlungenen Handtuch. Als wäre nichts gewesen, Donnerstagnacht in der Cleopatra-Arena. Die Polizei war da mit drei Zivilfahrzeugen und hat ein 13-jähriges türkisches Mädchen aus dem Bordell geholt. Eine Ausreißerin aus Oberhausen. Inwieweit sie gezwungen wurde, sich dort zu prostituieren, ist noch unklar. Aber sie ist ein Kind – das ist klar.
Verschoben ins Gewerbegebiet
Und ebenfalls bekannt ist: Zwei Duisburger (19 und 22) haben sie schwer missbraucht, haben ihr auch einen gefälschten Pass verpasst, haben sie mit krimineller Hilfe auf „volljährig“ getrimmt, auf bevor sie in diesem tristen Gewerbegebiet landete im Gelsenkirchener Stadtteil Beckhausen.
Die Eltern hatten sie am 2. September vermisst gemeldet. Zwischenzeitlich, so ist aus Polizeikreisen zu hören, soll die 13-Jährige noch einmal nach Hause zurückgekehrt sein, verschwand dann aber wieder. Die Beamten wühlten im Umfeld des Mädchens, und am Donnerstagmittag kam der Hinweis, sie befinde sich in dem Gelsenkirchener Bordell. Die Hintergründe müssen Spekulation bleiben: Ob körperliche oder psychische Gewalt im Spiel war, ob das türkische Kind ausbrechen wollte und an die falschen Freunde geraten ist, müssen die Ermittlungen zeigen.
Die Dame im Handtuch versteht plötzlich ganz schlecht deutsch. Warum ist der Laden eigentlich noch offen?
Vier Mädchen lümmeln sich im Nebenraum – „Top Girls“ im „exklusiven Topambiente“, nun ja. Die Wände: dilettantisch bemalt mit Wüstenlandschaft, im Hintergrund laufen Pornos, ein Trockner im Keller quietscht enervierend. Es ist deprimierend. Ein zweites Top-Girl kommt hinzu, macht sich auf bulgarisch schlau. „Sie sind falsch.“ Natürlich.
Die roten Teppiche sind abgelaufen, es gehe hier zu wie im Taubenschlag, sagt ein Nachbar. Auch die sechs bis zehn Arbeiterinnen – meist Bulgarinnen, Rumäninnen, auch Türkinnen – mieten sich demnach nur ein, kommen und gehen im fliegenden Wechsel. Die Freier: Deutsche, Osteuropäer, Türken, der ein oder andere Brummifahrer, schließlich ist die „Arena“ umzingelt von Speditionen und Lagerhallen. Manchmal warten die Zuhälter in dunklen Wagen vor der Tür. So viel Freiheit immerhin genießen die Huren, dass sie sich nebenan „Zum Bremsklotz“ ein Brötchen holen dürfen, wie man dort hört: „Es sind schon recht junge Mädchen hier, aber man geht ja davon aus, dass sie achtzehn sind.“
Mittwoch ist Flatrate-Tag
Das Kind war dreizehn. Die Cleopatra-Arena empfängt weiterhin Freier hinter ihren verziegelten Mauern mit den blauen Neonröhren. Mittwoch ist Flatrate-Tag.
Zuständig für die Konzession ist die Stadt, sagt die Polizei. Und so schwer verständlich es sein mag: Ob der Sauna-Club dicht gemacht wird, hängt vor allem davon ab, ob dem 48-jährigen türkischstämmigen Betreiber aus Gladbeck etwas nachgewiesen werden kann. Wusste er von dem falschen Pass? Konnte er etwas ahnen? Bei der Razzia war er jedenfalls nicht vor Ort. Die Beweislage in solchen Fällen ist schwierig.
Der Betrieb an der Hobackestraße sei „ordnungsgemäß angemeldet, nicht als Bordell, aber als bordellartiger Betrieb mit Prostitution“, sagt Polizeisprecher Konrad Kordts. In dem Etablissement habe es „immer mal wieder Ungereimtheiten“ gegeben, aber „bisher ist kein Kind rausgeholt worden“. Auch Fälle von Zwangsprostitution und Menschenhandel seien nicht bekannt. Die sechs osteuropäischen Prostituierten, die bei der Razzia vor Ort waren, hätten allesamt Wohnsitze in Gelsenkirchen und Umgebung.
Gegen den Betreiber und die beiden Duisburger haben die Staatsanwälte Verfahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und schweren Menschenhandels eingeleitet. Der 19-jährige Täter ist geständig und somit vorerst auf freiem Fuß. „Es gab keinen Haftgrund“, sagt Kordts. Das heißt: Flucht- oder Verdunklungsgefahr haben nicht vorgelegen. Der 22-jährige Verdächtige dagegen ist noch nicht geschnappt, aber kein Unbekannter. Beide sind schon zuvor kriminell aufgefallen, aber ob sie überhaupt in Kontakt zu dem Bordellbetreiber standen, müssen die Ermittlungen noch zeigen.
„Wir sind noch völlig am Anfang“, sagt Polizeisprecher Konrad Kordts. „Das wichtigste ist, dass das Kind geschützt wird.“