Bottrop.. Verbogene Stützen, schimmelnde Dachbalken, feuchte Luft: Das Alpincenter in Bottrop leidet unter massiven Problemen. Es kann sogar zum Einsturz der Konstruktion kommen. Schlimmstenfalls droht jetzt die Stilllegung der weltgrößten Skihalle.
Nicht viel in Bottrop zieht Leute von außerhalb an. Doch zumindest die Skihalle auf einer alten Halde gegenüber der Kokerei Prosper ist so ein Prestigeobjekt wie aus dem Bilderbuch. Vor gut zehn Jahren vom damaligen NRW-Ministerpräsidenten Wolfgang Clement eröffnet, kommen hierher Touristen, um in der längste Schneehalle der Welt auf Abfahrt zu gehen. Nur leider ist jetzt genau diese Halle von der Schließung bedroht.
Dokumente, die der WAZ vorliegen, beweisen, dass die Skihalle mit Problemen zu kämpfen hat. Es kann sogar zum Einsturz der Konstruktion kommen. In den Dokumenten ist die Rede von verschobenen Stützen, schimmelnden Dachbalken und zu feuchter Luft. Die Stadt hat bereits Ordnungsverfügungen erlassen und besteht auf dringenden Änderungen, um das Schlimmste zu verhindern.
Von Beginn an stand die Skihalle unter einem schlechten Stern. Der Skihallen-Pionier Marc Girardelli geriet schnell in finanzielle Schieflage. Handwerker wurden nicht bezahlt. Es gab Prozesse.
Damit nicht genug. Immer wieder kamen Personen in der Skihalle zu Schaden, weil die technischen Anlagen nicht sicher waren. Schon im April 2001, kurz nach der Eröffnung, stürzte eine Person auf dem Förderband, das die Skifahrer zur Bergstation bringt. Zum anschließenden Rettungseinsatz heißt es im Notarztprotokoll: „Der Patient geriet mit dem Pullover ins Transportlaufband und ist stranguliert worden.“ Zum Glück starb der Patient nicht. Es liegen weitere Protokolle aus den Folgejahren vor. Mal ging es um einen Knochenbruch, weil das Förderband falschrum lief, mal um einen Mann, der zwei Meter tief in einen Schacht stürzte. Die Betreiber sagen dazu, Fehler der Anfangszeit seien ausgebessert worden. Heute sei nichts mehr gefährlich.
Standfestigkeit vor Gericht
Doch richtig brisant sind die technischen Probleme, die nun bekannt werden. Seit Jahren befinden sich die Betreiber der Skihalle, eine Tochterfirma der holländischen Unternehmensgruppe van der Falk, in einem Rechtsstreit mit dem früheren Generalunternehmer der Anlage. Es geht um die Standfestigkeit des Gebäudes. Das Verfahren läuft vor dem Landgericht Essen.
Um widersprechende Aussagen der Parteien zu überprüfen, schickte das Gericht den Gutachter Burkhard Walter in die Halle. Dieser sollte 2008 die Tragfähigkeit der Deckenbalken untersuchen. Walter stellte fest, dass die Halle unter hoher Luftfeuchtigkeit leidet. Und das ist gefährlich: Die Skihalle wird von einer Konstruktion aus verleimtem Holz gehalten. Und die feuchte Luft schwächt den Leim, der die Deckenbalken zusammenhält. Immer wieder vereisten ganze Balken, während an anderer Stelle Wasser stand.
Zudem fand Walter heraus, dass die Balken in der Nähe der Deckenlampen von Schimmel befallen sind. Unter anderem vom „hochaggressiven, holzzerstörenden“ Blättling. Das gefährliche: Die Schädigung sei von außen „nicht sofort zu sehen.“ In seinem Gutachten stützt sich Walter auf Laboruntersuchungen der Universität Wuppertal, die den Blättling in mindestens fünf Proben nachwies.
Zehn Jahre Alpincenter
Das Ganze ist brisant: Vor fünf Jahren verursachte ein gammeliges Holzdach ein Unglück in Bad Reichenhall. Dort starben 15 Menschen, als eine Eissporthalle unter einer Schneedecke einstürzte.
Das Landgericht schickte das Gutachten nach Bottrop. Dort verließen sich die Beamten allerdings nicht auf den Gerichtsgutachter, sondern auf ein Gegengutachten der Skihallen-Betreiber. In diesem Papier hieß es, der Gegengutachter habe bei einem Ortstermin zwar mit dem bloßen Auge Schimmel gesehen, aber keinen gefährlichen Blättling. Es gebe also kein Problem. Die Träger seien nicht beschädigt. Das Bauamt akzeptierte das Betreibergutachten und verlangte, die klimatischen Bedingungen in der Halle so zu verbessern, dass Schimmel nicht weiter wachsen kann. Nach Ansicht der Betreiber wurden die klimatischen Bedingungen bereits ausreichend verbessert. Es bestehe also keine Gefahr.
Die Träger der Halle stehen gefährlich schief
Doch es gibt noch ein Problem. Schon 2009 stellten Gutachter fest, dass sich die Stützen der Skihalle „seit Jahren“ verschieben. Die Ursache dafür seien Erdarbeiten rund um die Piste. Die ganze Halde sei ins Rutschen gekommen.
Bis jetzt haben sich die Stützen der Halle um 19,7 Zentimeter nach außen verschoben. In einem Bericht des Statikbüros Heimann & Rose heißt es, eine Verschiebung sei bis maximal 20 Zentimeter hinnehmbar – wenn sich die Deckenlast nicht verändere.
Die Stadt Bottrop verlangt nun, dass die Betreiber das Abkippen der Halle schnell stoppen, sonst werde die weltgrößte Schneehalle dicht gemacht. Die Betreiber versprachen gestern alle Auflagen einzuhalten und die Skihalle so weit zu ertüchtigen, dass die Stützen sich bis zu 25 Zentimeter schief stellen können. Die Stadt Bottrop akzeptierte das.
Doch reicht das wirklich? In diesem Sommer wurde auf dem Dach der Skihalle eine Solaranlage in Betrieb genommen. Das ist neues Gewicht. Die Statik von Heimann & Rose gilt nicht mehr. Was passiert mit dem durch Schimmelpilze, Feuchtigkeit und Erdbewegungen geschwächten Dach, wenn die Solaranlage drauf ist und noch mal so viel Schnee wie im vergangenen Winter fällt? Die Statiker haben gewarnt, das Dach könne nicht mehr so viel Schnee tragen, wie ursprünglich gedacht. Die Stadt sagt, es gebe neue Berechnungen. Die Betreiber sagen, die Solaranlage könne bei Bedarf automatisch geräumt werden. Es gebe keine Gefahr.
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