Lüdenscheid. .
„Wenn Sie schon auf Krawall gebürstet sind, dann ist es ein bisschen unklug, sich in die erste Reihe zu setzen.“ Vorlaute Zuschauer, die seine Ergüsse witzig kommentierten, hielt Entertainer Jürgen von der Lippe, bei seinem Auftritt im ausverkauften Kulturhaus mit der Blumenspritze in Schach. – Wer aufmuckte, wurde nass.
Die Spritze war schnell zur Hand. Angetreten, der überalterten Republik die Langeweile auszutreiben, blies von der Lippe zum Großangriff auf die Lachmuskulatur. „So geht’s“, meinte er verschmitzt. Gemeint war ein Comedy-Crash-Kurs für ältere, angehende Comedians, der „gleichzeitig Lebenshilfe für den Senioren im Allgemeinen“ und damit doppeltes Vergnügen war.
Schunkellieder zur Einstimmung
Bei Schunkelliedern, die der Moderator und Komiker bissig gegen Vertreter der „hochintellektuellen Presse“ verteidigte, schunkelte sein musikalisches Team – bestehend aus Mario Hené (Gitarre) und Wolfgang Herder (Keyboard) – kräftig mit. Beim Opening – wo sonst – begann der Crash-Kurs, mit dem von der Lippe sein lachendes Publikum fit für die Bühne machte.
Den gut gemeinten Tipp, beim Einstieg ins Programm von sich selbst zu erzählen, reicherte er mit Seitenhieben auf die eigene Figur („Ich hab mir ein paar Falten machen lassen, neue Tränensäcke und den Bauch aufgespritzt“) und die körperlichen Makel anderer an. Tenor: Jeder hat etwas an seinem Körper, das ihm nicht gefällt. Sei’s die Glatze oder die große Nase, die immerhin einen Vorteil hat: Sie hält vom Koksen ab. „Ist nicht zu finanzieren!“ Auf’s Rückenschwimmen, erkärte der Lehrmeister in Sachen Comedy, sollten Großnasen allerdings verzichten. „Die Leute denken, der Hai kommt.“
Parodien auf Jugend und Geistliche
Erster Auftritt mit 16 Jahren
Jürgen von der Lippe wurde am 8. Juni 1948 als Hans-Jürgen Dohrenkamp in Bad Salzuflen (Lipperland) geboren.
1950 zog er mit seiner Familie nach Aachen um.
Seinen ersten öffentlichen Auftritt hatte er 16-jährig bei einem Schülerball.
Mit Sendungen wie „So isses“, „Donnerlippchen“, „Geld oder Liebe“ und „Wat is?“ schrieb er Fernsehgeschichte. Alle persönlichen Rekorde brach seine Jubiläumstour „Das Beste aus 30 Jahren“.
„So geht’s“ ist sein brandaktuelles Programm. Beide Vorstellungen waren ausverkauft.
Wie gewohnt tauchte Jürgen von der Lippe, der sich am äußerst zugabenfreudig zeigte, bei seinen pointenreichen Ergüssen über das Dasein eines Komikers auch gern mal in Regionen unterhalb der Gürtellinie ab. Oft im Nachsatz, überraschend und unerwartet, kamen die Hiebe, die aus banalen Feststellungen Running Gags machten. „Sie müssen als Komiker eine schwere Kindheit gehabt haben“, witzelte der Profi, der in diversen Figuren – als Geistlicher oder Kalle – seine besten Auftritte hatte.
Haarsträubende Geschichten vom zu groß geratenen Kopf auf schmächtigem, verzweifelt von Muttern gemästetem Körper, kläglich gescheiterter Ringerkarriere und Schach als Kompensation schluchzte er sich als armes, gehänseltes Kind zusammen. Beim Anbaggern ließ er die losesten Sprüche von der Leine. Beim Karikieren und Parodien machte er weder vorm Jargon türkischer Jugendlicher noch geschwollen redenden Geistlichen Halt.
Einmaliges Verwandlungstalent
Herbert Grönemeyer, Peter Maffay oder Max Rabe: Jürgen von der Lippe hatte sie alle drauf. In unterschiedlichsten Figuren – mal proletenhaft, mal salbungsvoll – legte der Comedian Verwandlungstalent an den Tag. Bayrisches und Preußisches, Jodler und Spreewaldgurken, fanden sich in den Songs, die den Crash-Kurs auflockerten - mit Wortwitz und Pointenregen.