Holzwickede.

Bis dato war es nicht üblich, dass Kindertagesstätten für Liedtexte Gebühren zahlen. Mittlerweile sind sie im Visier der Gema. Während das Land NRW einen Pauschal-Vertrag verhandelt, verschenken die „Musikpiraten“ aus dem Umfeld der Piratenpartei jetzt Gema-freie Noten. Die Holzwickeder Erzieherinnen sind begeistert.

Der katholische Kindergarten Liebfrauen in Holzwickede dürfte nicht der einzige sein, wo man beim Kopieren von Noten derzeit unsicher ist. Weil der Kindergarten vor einiger Zeit von der Gema aufgefordert wurde, Lizenzgebühren zu zahlen, hatte man am Jahresbeginn bis auf weiteres auf das Verteilen von Liedtexten für Eltern verzichtet. „Das war einfach nur lachhaft,“, sagt Kerstin Dilger vom Liebfrauen-Kindergarten.

Bei allen gut 9 500 Kindertageseinrichtungen in NRW hatte die Gema im vergangenen Jahr im Auftrag der VG Musikedition auf die Lizenz-Pflicht hingewiesen, um auch an Kindergärten die Rechtsansprüche von Komponisten und Liedtextern zu wahren. Jetzt springen den Kleinen „Piraten“ zur Seite. „Musikpiraten“ heißt der Verein, der nun Liederhefte verschenkt.

Es geht nicht unbedingt um viel Geld – für einen durchschnittlichen Kindergarten vielleicht um die 60 Euro pro Jahr – aber um einige Bürokratie. Die „Musikpiraten“, ein Verein aus dem Umfeld der Piratenpartei, hat deshalb zum Widerstand aufgerufen. Mit einem eigens produzierten Kinderliederbuch wollen sie Kitas aus der Gema-Not befreien. Die Geschichte klingt nach Robin Hood, je nach Blickwinkel auch nach Don Quijote.

54 800 Bücher gedruckt

54 800 Liederbücher mit dem Titel „Kinder wollen singen“ hat der Verein drucken lassen. Jetzt beginnt die Verteilaktion: Neben den 30 Vereinsmitgliedern sind nun vor allem die bundesweit knapp 12 000 Mitglieder der Piratenpartei aufgerufen, vor Ort Kindergärten mit Liedgut zu versorgen. „Eine super Idee“, freut sich Susanne Albig von der Kita NordLicht.

Liederbuch zum 'runterladen

Das Projekt ist generalstabsmäßig geplant und durch Spenden finanziert, erklärt Chef-„Musikpirat“ Christian Hufgard nicht ohne Stolz. „Jeder Kindergarten bundesweit soll ab sofort ein Exemplar geschenkt bekommen“, erklärt der 31-jährige Familienvater. Nach seinen Recherchen sind das 50 299 Einrichtungen. Der Inhalt der Bücher: Knapp 50 „gemeinfreie“ Lieder mit Text und Noten. Darunter sind Stücke wie „Alle meine Entchen“, „Summ, summ, summ“ oder „Leise rieselt der Schnee“, die allesamt so alt sind, dass kein Komponist oder Texter daran noch Verwertungsrechte geltend machen könnte. Um rechtlich ganz sicher zu gehen, hat man sogar die Noten eigens neu gesetzt, berichtet Hufgard. Fazit: „Sie können kostenlos kopiert werden.“

Die Gema weist allerdings darauf hin, dass bei öffentlichen Auftritten nach wie vor die Musikfolge gemeldet werden muss. Denn ob ein Lied tatsächlich urheberrechtsfrei ist, „wird bei uns erst überprüft“, sagt ein Sprecher. „Wir machen mit und freuen uns über das Exemplar“, sagt Annette Wilutzki vom HEV-Kindergarten. Freuen dürfen sich auch Eltern und Kinder. Die mussten bislang bei Festen das Liedgut auswendig lernen, um nicht gebührenpflichtig zu werden.