Märkischer Kreis. .

Der Zensus ist gestartet – und wie sich spätestens jetzt zeigt, handelt es sich um weit mehr als eine stichprobenartige Erhebung von Daten. Tatsächlich wird jeder Bürger des Märkischen Kreises namentlich erfasst – und zwar in vielen Fällen ohne sein Wissen oder seine Zustimmung.

In den jetzt an alle Hausbesitzer verschickten Fragebögen wird nicht nur die Zahl der Bewohner abgefragt, sondern auch deren Namen. Mehr noch: In Mietshäusern müssen die Namen einzelnen Wohnungen zugeordnet werden, so dass lückenlos nachvollziehbar ist, wer wo mit wem zusammenwohnt. Viel mehr und zum Teil noch wesentlich intimere Auskünfte werden 52 150 zufällig ausgewählten Märkern abverlangt. Homosexuelle Beziehungen, Religionszugehörigkeit, Abstammung der Eltern, Schulbildung, Berufstätigkeit – insgesamt 46 Fragen wollen die Statistiker beantwortet wissen. Mit voller Namensnennung, Adresse und Telefonnummer der Befragten.

Einige wollen Auskunft verweigern

Als nun den ersten Bürgern durch eine Panne vorzeitig klar wurde, dass sie zu den ausgewählten Personen gehören, war die Aufregung groß. Die Benachrichtigungen aus der Erhebungszentrale, die eigentlich erst im Laufe dieser Woche verschickt werden sollten, ließen am Montag in Lüdenscheid die Telefone heiß laufen. Allein am Vormittag riefen mehr als 100 verunsicherte Bürger in der Erhebungsstelle an. Nicht alle konnten die Mitarbeiter besänftigen: Trotz Strafandrohung hätten einige Bürger angekündigt, die Auskunft zu verweigern, berichtet der örtliche Zensus-Leiter, Helmut Wehn.

52 150 Märker bekommen Post

52 150 Märker bekommen in diesen Tagen Post mit einem Terminvorschlag für ein Interview. „Wer schweigt, stimmt zu“, so Helmut Wehn.

Wer zweimal nicht zu erreichen ist, bekommt den Fragebogen mit der Post zugeschickt.

Als Ausweis fungiert eine weiße Karte mit dem Siegel des Kreises. Zusätzlich muss der Interviewer ungefragt seinen Personalausweis zeigen.

Der Interviewer muss nicht in die Wohnung gelassen werden.

Einen Unsicherheitsfaktor stellen nach wie vor die etwa 530 Interviewer dar, die den Bürgern ins Haus geschickt werden. Obwohl sich das Team der Erhebungsstelle bemüht hat, „auffällige Personen“ schon im Vorfeld auszusortieren, kann Helmut Wehn nach wie vor nicht garantieren, dass sich keine Vorbestraften oder Radikalen unter den Volkszählern befinden.

Auch Organisatoren sind beunruhigt

Die Vorstellung, dass Rechtsextremisten die Befragung nutzen könnten, um Daten über Juden oder Homosexuelle zu sammeln, beunruhigt daher auch nach wie vor die Organisatoren. „Uns wäre ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis natürlich lieber gewesen“, räumt Wehn freimütig ein, doch das habe der Gesetzgeber bei den Interviewern nicht vorgesehen.

Die einzige Einschränkung ist die Auswahl des Einsatzortes. Die Interviewer dürfen nicht im selben Block wie die Befragten wohnen. Wem die Vorstellung, dem Rentner aus der benachbarten Eckkneipe intime Details ausplaudern zu müssen, nicht gefällt, dem rät Wehn, den Fragebogen allein auszufüllen.