Rees/Emmerich. .
Das Amtsgericht verurteilte einen 31-jährigen Bocholter zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe. Er soll als Mietnomade in einer Wohnung in Rees gelebt zu haben, ohne je die Absicht gehabt zu haben, Miete und Kaution zu zahlen.
„Ich kann keinen Strohhalm finden, an dem ich eine Bewährung aufhängen kann“, gab sich Richterin Waltraud Wacker ratlos. Gestern verurteilte das Amtsgericht Emmerich einen 31 Jahre alten Mann aus Bocholt zu sechs Monaten Freiheitsstrafe. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Angeklagten eine Bewährung zugestehen wollen, zusätzlich aber eine Schadenswiedergutmachung in Höhe von monatlich 50 Euro, zahlbar für mindestens 12 Monate, gefordert. „Die Haft ist angemessen und bietet ihm Zeit, endlich einmal zu lernen, künftig nicht mehr auf Kosten anderer zu leben und sich seinen Problemen zu stellen“, argumentierte die Richterin.
Mit Problemen sprach sie die posttraumatischen Störungen des arbeitslosen jungen Mannes an. Seiner Schilderung nach hatte der Angeklagte Ende Februar in Folge dieser Störungen einen Schlaganfall erlitten, sein Sprachzentrum sowie sein Bewegungsapparat Schäden davon getragen. Seitens des Gerichtes wurde dies aber – trotz sichtbarer Behinderungen – in Frage gestellt. „Es ist auffällig, dass Sie auch schon zu anderen Zeiten erkrankt und plötzlich doch wieder gesund waren“, erinnerte Richterin Wacker.
Angeklagter verließ fluchtartig die Wohnung
Für gleich zwei Betrugsvorwürfe musste sich der Angeklagte vor Gericht verantworten. Vorgeworfen wurde ihm einerseits, ein Sparbuch mit einem Guthaben von 285,24 Euro in betrügerischer Absicht aufgelöst zu haben. Zudem wurde ihm zur Last gelegt, als Mietnomade in einer Wohnung in Rees gelebt zu haben, ohne je die Absicht gehabt zu haben, Miete und Kaution zu zahlen. Die erste Strafsache wurde eingestellt, weil der Aufwand zur Wahrheitsfindung im krassen Gegensatz zum mutmaßlich veruntreuten Geldbetrag stand. Nicht klar war nämlich, ob der Angeklagte wusste, dass das Geld auf dem Sparbuch seines verstorbenen Vaters nicht diesem selbst gehört hatte, sondern vom inzwischen Verstorbenen nur treuhänderisch für einen örtlichen Karnevalsverein in Rees verwaltet worden war. Der Vater hatte dort den Posten des Kassierers bekleidet.
Für die zweite Strafsache erhielt der Bocholter die sechsmonatige Haftstrafe, obwohl er voll geständig war.
Folgendes war geschehen: Nach dem Tod seines Vaters hatte der Angeklagte das Elternhaus in Rees verkaufen wollen. Mit dem Verkauf beauftragte er einen örtlichen und ihm gut bekannten Immobilienmakler. Gleichzeitig besorgte ihm dieser eine kleine Mietwohnung in Rees. Diese bezog der Angeklagte am 1. Oktober 2009. Miete und Kaution zahlte er nicht. Erst nach zahlreichen Anrufen und Mahnungen des Maklers überwies er zwei Monatsmieten. Danach floss kein Geld mehr. Es folgte eine Räumungsklage, in der Nacht zum Räumungstermin verließ der Angeklagte fluchtartig die Wohnung. „Der Vermieter hat die restlichen Möbel auf seine Kosten eingelagert, meines Wissens nach bis heute“, so der Makler. Auch er sollte um den Lohn für seine Maklertätigkeit ge-bracht werden. Der Angeklagte hatte nämlich ihm gegenüber später angegeben, das Elternhaus doch behalten zu wollen, es dann aber selbst ohne Wissens des Bekannten veräußert. Die Provision erhielt der Makler nach Mahnung letztlich doch noch. „Wenn ich auch keinen materiellen Schaden habe, so hat dies doch meinem Ruf geschadet“, sagte er. Schließlich verwalte er für den geprellten Vermieter fünfzig Wohnungen.
Die Richterin warf dem Angeklagten skrupelloses Verhalten vor. Reue vermochte sie auch nicht zu erkennen. „Sie haben keinerlei Möglichkeit der Wiedergutmachung gezeigt“, sagte sie.