Bielefeld. .

Mietnomaden sind gefürchtet. Erstmals haben jetzt Forscher das Phänomen untersucht. Ihr Fazit: Das Problem ist offenbar geringer als angenommen. Und viele Vermieter sind zu sorglos.

Sie ziehen ein, zahlen keinen Cent, hauen dann ab und hinterlassen oftmals ein Chaos: Mietnomaden sind gefürchtet. Jetzt bekommt das Schreckgespenst der Vermieter ein Gesicht. Forscher der Universität Bielefeld haben das Phänomen erstmals wissenschaftlich untersucht. Erste Ergebnisse der Studie liegen nun vor.

Zunächst ist den Bielefeldern die Sorglosigkeit der Vermieter aufgefallen. Viele verzichten demnach darauf, sich vor dem Einzug über die Mieter zu informieren. Und riskieren damit einen Schaden, der im Schnitt auf bis zu 10.000 Euro steigt.

Die Forscher wollten zudem wissen, ob das Mietnomadentum ein Massen- oder Randphänomen ist. Denn sie arbeiten im Auftrag der Bundesregierung. Und Union und FDP haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, gegen Mietnomaden härter vorzugehen und das Mietrecht dementsprechend zu verschärfen. Die Wissenschaftler sollen ihnen hierzu das nötige Zahlenfutter liefern. Doch die Studienergebnisse sind offenbar nicht so eindeutig wie erwünscht.

Dämpfer für die Mahner

Seit Jahren jonglieren Vermieter- und Maklerverbände mit alarmierenden Zahlen. Sie berichten von bis zu 30.000 Fällen pro Jahr. Die Daten der Forscher verpassen den Mahnern jedoch einen Dämpfer. „Unsere Studie gibt wenig Anlass zu der Annahme, dass das Mietnomadentum ein Riesenproblem ist“, sagt Markus Artz von der Universität Bielefeld. Der Rechtsprofessor hat zusammen mit seinem Kollegen Florian Jacoby hunderte Fälle gesammelt und untersucht.

In einer breit angelegten Kampagne wurden zuvor Vermieter dazu aufgerufen, den Wissenschaftlern Mietnomaden-Fälle zu melden. Rund 1200 vermeintlich Betroffene haben reagiert, doch nur in 400 Fällen waren sie wirklich Opfer von Mietnomaden. „Wir haben festgestellt, dass die gefühlte Betroffenheit deutlich größer ist als die tatsächliche“, sagt Artz. Pro Jahr wurden den Forschern demnach lediglich rund 50 Fälle gemeldet.

Angesichts dessen ist es verwunderlich, dass sich der Eigentümerverband Haus und Grund von der Studie bestätigt sieht. „Das Ergebnis übertrifft unsere schlimmsten Befürchtungen“, kommentiert Präsident Rolf Kornemann. Der Mietbetrug habe mittlerweile offensichtlich Dimensionen angenommen, die der Gesetzgeber nicht länger ignorieren könne. Der Deutsche Mieterbund zieht hingegen ein ganz anderes Fazit: Die Studie belege, dass die vorgesehenen Regelungen zu Mietnomaden überflüssig seien. Der Mieterbund fordert die Bundesregierung auf, ihre geplante Mietgesetzänderung abzusagen.

Gesetz schon in der Schublade?

Wissenschaftler Artz möchte sich von keiner Seite vor den Karren spannen lassen. „Beide Einschätzungen treffen in dieser Deutlichkeit nicht zu“, sagt er. Zudem mahnt er an, dass seine Zahlen nicht repräsentativ seien und demnach nur eine Tendenz aufzeigen könnten.

Auch das Bundesbauministerium, einer der Auftraggeber der Studie, hält sich mit der Deutung der Ergebnisse noch zurück: Man werde erst nach dem endgültigen Abschlussbericht der Untersuchung Ende Dezember Schulssfolgerungen ziehen, sagt Ministeriums-Sprecherin Vera Moosmayer gegenüber DerWesten. Und: Das Thema werde ganz sachlich angegangen.

Daran hat der Mieterbund jedoch erhebliche Zweifel – zumindest was das Bundesjustizministerium angeht. Das habe noch vor Abschluss der Studie Vorschläge zur Änderung des Mietrechts vorgelegt. Dahinter wittert der Mieterbund die erfolgreiche Lobbyarbeit von Vermieter- und Maklerverbänden. Sie hätten die Regierung unter Druck gesetzt. Dass das Gesetz schon in der Schublade liege, bevor sie fertig seien, darüber wundern sich jedoch auch die Forscher.