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Jetzt fliegen die ersten Schneebälle auf den Schulhöfen, es wird eingeseift und gerauft. Eltern werden das nicht gerne hören: Kinder kämpfen in der Schule eher zu wenig. Gerade Jungen sollten häufiger ihre Kräfte messen, den Körperkontakt suchen.

Die katholische Katharinen-Grundschule glaubt an das Gute im Duell Kind gegen Kind. „Jungen wachsen heute immer öfter ohne männliche Bezugsperson auf“, sagt Schulleiterin Annegret Dons. Und deswegen sollten Schulen alle Möglichkeiten des Curriculums ausschöpfen, damit die Heranwachsenden sich aneinander reiben können. Natürlich nach Regeln.

Ihre Kollegin von der Königsborner Schule am Friedrichsborn, Ute Kirch-Forthaus, meint, dass Rangeln nach Regeln den Weg vom Sportunterricht auch auf den Schulhof finden müsse: „Gerade in den Pausen müssen die Kinder den fairen Umgang miteinander umsetzen.“

Wrestling-Alarm

Denn an nicht wenigen Schulen ist inzwischen Wrestling-Alarm ausgerufen worden. Die Schaukämpfe aus dem Fernsehen, zu immer früheren Zeiten im Programm, werden oft unreflektiert auf den Schulhof übertragen. Wenn Aufsicht führende Lehrer dann zu spät kommen, sind aus den Spaßkämpfen der Schüler längst Fälle für die Ambulanz geworden. Dem beugt zum Beispiel die Gillbachschule in Rommerskirchen mit dem Verbot von Spaßkämpfen vor.

Ein Verbot sei das letzte Mittel, sagt die Leiterin des Kölner Projekts „Gewaltfrei lernen“, Sibylle Wanders. Zuerst müssten die Kinder lernen, fair und rücksichtsvoll miteinander umzugehen. „Du darfst im Sport fair kämpfen, aber nicht an Hals und Wirbelsäule greifen“, sagt die ausgebildete Judo-Trainerin. Ihr Projekt setzt an vielen Orten in NRW bereits an den Grundschulen an. Es bedient sich der bekannter Elemente aus Konflikttraining und Streitschlichtung, geht aber darüber hinaus: In Bewegungsspielen wird ganzheitlich geübt, wie weit ich beim Gegenüber gehen darf, wie ich mich aber auch aus Zwangslagen befreie. Besonderheit: Eltern, Schüler und Lehrer werden in das mehrtägige Schulungsprogramm einbezogen.

Unterrichtsreihe Ringen & Kämpfen

Ballsportarten und Turnen dominieren die Lehrpläne. Obwohl darin durchaus auch körperbetonte Sportarten vorgesehen sind. Zum Beispiel die Unterrichtsreihe Ringen & Kämpfen in der Oberstufe an der Peter-Weiss-Gesamtschule, wie Leiter Rainer Schollas sagt. Genutzt werde das aber zurückhaltend. In der Sekundarstufe I gibt es nichts Vergleichbares zum Austoben, allenfalls Hip-Hop in einer Projektwoche.

Bereits ab Klasse 5 könne am Geschwister-Scholl-Gymnasium (GSG) nach Regeln gekämpft werden, sagt Sportlehrer Joachim Darius. Das sehe der Lehrplan vor. Er sieht eine Notwendigkeit, die Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeit der Kinder zu verbessern. Das sei viel mehr als Sport, das sei „soziales Lernen“ gegen den Trend, „verbal zu erschlagen“ oder körperliche Schmerzen zuzufügen.

GSG-Schulleiter Michael Strobel fragt auch mit Blick auf die Ausbildung der Pädagogen rhetorisch: „Muss Schule alles leisten können?“ Nein, sagt Sibylle Wanders von „Gewaltfrei lernen“. Es würde aber schon helfen, wenn in den Unterricht oder die Ganztagsangebote der Schulen keine „Kampfkünstler aus dem Sportstudio“ eingeladen würden, sondern mehr Sportpädagogen. Das wäre dann auch im Sinne von Sportlehrer Joachim Darius, der sich mehr Lehrer mit Kampfsporterfahrung (Ringen/Judo) in den Kollegien wünscht.