Duisburg. .

Pleitestadt, Schimanski-Town, Graue Maus: Duisburg und der Kampf um ein besseres Image – das ist eine unendliche Geschichte, der die Loveparade-Tragödie eine neue, schicksalhafte Wendung gibt.

Die Stadt Duisburg und ihr Kampf um ein besseres Image – das ist eine unendliche Geschichte, der die Loveparade-Tragödie eine neue, schicksalhafte Wendung gibt. Als tolerant und fröhlich wollte man sich präsentieren. Nun steht Duisburg als Ort da, an dem 21 Menschen starben und über 500 verletzt wurden, wird in einem Atemzug mit den Katastrophen von Sheffield und Brüssel genannt, wo Menschen in Fußballstadien erdrückt wurden. Weltweite Wut statt internationalem Glanz. Ein Debakel, in jeder Hinsicht.

Pleitestadt. Schimanski-Town. Graue Maus, die sich mit bunten und zu großen Kleidern schmücken will. Kein Klischee, das nicht in diesen Tagen bedient wird. In der Regel von Leuten, die Duisburg nicht kennen. Manches stimmt, vieles ist falsch.

Natürlich ist Duisburg faktisch insolvent. So wie viele andere Städte auch. Oberhausen und Essen etwa. Oder das Bergische Dreieck mit Wuppertal, Solingen und Remscheid. Überall das gleiche Lied: Wegbrechende Steuereinnahmen, rasant steigende Soziallasten. Doch seit 1979 der damalige Kämmerer Wolfram Dumas wegen fehlender 30 Millionen DM – heute ein läppischer Betrag – erstmals in der bundesrepublikanischen Geschichte eine Haushaltssperre verhängte, steht Duisburg als Synonym für eine Stadt, die nicht mit Geld umgehen kann. Dabei ist die Krise der Kommunen nur zum geringen Teil hausgemacht.

Helle Empörung, als 1984 der erste Schimanski-Tatort über den Bildschirm flimmerte. „Duisburg-Ruhrort“ handelte vorwiegend in Sanierungsgebieten, dreckig und prollig ging es darin zu. Doch Schimanski wurde rasch Kult, Götz George eine Art Ehren-Duisburger. Auf dem Höhepunkt des Kampfes um die Krupp-Hütte fuhr er mit dem Motorrad zu den Streikenden auf der besetzten Rheinhauser Brücke, mit OB Josef Krings als Sozius. Seither ist Schimanski unsterblich. Duisburger Studenten wollten ihre Uni nach ihm benennen, aus Jux. Der raue Charme der Stadt wurde eine Art Alleinstellungsmerkmal. Nicht jeder im Land war dafür empfänglich.

Nicht bunte Partybilder, sondern die vielen Eindrücke der Trauer werden sich in das Gedächtnis der Menschen in Deutschland und dem Rest der Welt einbrennen.
Nicht bunte Partybilder, sondern die vielen Eindrücke der Trauer werden sich in das Gedächtnis der Menschen in Deutschland und dem Rest der Welt einbrennen. © WAZ FotoPool

Spannende Facetten

Von wegen graue Maus: Bedeutende Museen, das schmucke Stadion in Wedau, der trendige Innenhafen, Deutschlands größte Spielbank. Die Sinfoniker mit einem charismatischen Generalmusikdirektor. Die lange Rheinfront, mit Feuern der Stahlindustrie, die nie erlöschen. Als Kontrast der idyllische Niederrhein. Auf der Weseler Straße in Marxloh gibt es 16 türkische Brautausstatter. Die Kunden kommen von überall her. Daneben Deutschlands größte Moschee. Der grüne Süden, Europas größter Binnenhafen, das maritime Ruhrort. Kurzum: Es gibt viele Facetten. Die Stadt ist spannend. Voller Brüche und Widersprüche. Hohe Arbeitslosigkeit trifft Hochkultur. Hier fanden die härtesten Arbeitskämpfe statt. Und ein brutaler Strukturwandel. Übrigens: Die meisten Duisburger leben gern hier.

Warum musste die Loveparade her, wenn es doch so viele Highlights gibt? Und so viele ungelöste Probleme?

Ein Erklärungsversuch. Duisburg sieht sich in einer Liga mit dem reichen, schicken Nachbarn Düsseldorf. Schaut auf das mächtige Essen, den Schreibtisch des Reviers. Wer kleiner ist, muss mehr tun. Zudem hat die Stadt eine unklare Identität. Bildet man mit Köln und Düsseldorf die Rheinschiene? Oder stellt man sich als westliches Tor zum Ruhrgebiet dar? Zumal Duisburg in sich zerrissen ist. Die Menschen in den linksrheinischen Stadtteilen Homberg und Rheinhausen orientieren sich eher nach Moers, die Walsumer im Norden nach Dinslaken. Top-Ereignisse wie die Kanu-WM, wie die Universiade 1989 oder die World Games 2005 brachten Glanz. Weltweite Beachtung macht stolz und stärkt das ersehnte Wir-Gefühl. Und schmeichelt dem Geltungsdrang der Politiker aller Parteien. Der Erfolg hat viele Väter.

Verkettung von Flops

Der letzte Coup liegt schon länger zurück. Es war die Eröffnung des Einkaufszentrums Forum. Danach reihten sich Flops wie Perlen auf der Kette. Die World Games 2013 wurden zurückgegeben, die Duisburger Freiheit am Hauptbahnhof kann so nicht gebaut werden, Schenker errichtet seine Zentrale in Frankfurt und nicht in Ruhrort. Der sechsfache Mafia-Mord und die Bandido-Szene sorgten für unrühmliche Schlagzeilen: Klein-Chicago am Rhein. Das vermeintliche Erfolgserlebnis Loveparade musste her, trotz vieler warnender Stimmen. Jetzt ist Duisburgs Image, wo es schon mehrfach war: ganz unten.