Duisburg.

19 Tote und hunderte Verletzte: Diese Opferzahlen nach der Massenpanik bei der Loveparade hat der Krisenstab in Duisburg in der Nacht bekanntgegeben. Oberbürgermeister Sauerland: „Es ist eine der größten Tragödien unserer Stadt“.

Bei der Loveparade in Duisburg sind am Samstagnachmittag bei einer Massenpanik 16 Menschen getötet worden, drei weitere starben im Krankenhaus. Zu der Katastrophe war es am Eingangstunnel vor dem Loveparade-Gelände am ehemaligen Güterbahnhof gekommen. Die Veranstaltung selbst ging ohne weitere große Zwischenfälle zu Ende. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) forderte eine genaue Untersuchung der Vorfälle. Die Staatsanwaltschaft überprüft, ob sie gegen die Veranstalter wegen fahrlässiger Tötung ermitteln wird. Nach der Räumung wurde der Tunnel für die Spurensicherung und die Untersuchungen der Kriminalpolizei gesperrt. 342 Menschen wurden verletzt, zahlreiche von ihnen schwer. Insgesamt waren rund 5000 Polizisten und Rettungskräfte im Einsatz. Nach ersten Schätzungen waren rund 1,4 Millionen Besucher bei der Loveparade

Die Massenpanik wurde nach Angaben des Duisburger Ordnungsdezernenten Wolfgang Rabe offenbar durch Besucher ausgelöst, die Sicherheitszäune überstiegen, um zum Veranstaltungsgelände zu kommen. Einige stürzten dabei von einer Treppe. Dadurch sei wohl eine „Kettenreaktion“ ausgelöst worden. In dem Tunnel ging es für viele weder vor noch zurück und es gab keine Ausweichmöglichkeiten.

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Die Ursache für die Katastrophe sieht Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland nicht im Sicherheitskonzept oder im Handeln der Ordnungskräfte vor Ort. 15 Menschen seien offenbar gegen 17.15 Uhr am Tunnel über die Absperrung eine Mauer hoch geklettert und aus vermutlich acht bis neun Metern Höhe abgestürzt. Darauf deuteten die Berichte der Notärzte von Rückenmarksverletzungen hin: „Alle Sicherheitsvorkehrungen, die notwendig waren, sind von den Ordnungskräften eingeleitet worden. Es ist dafür gesorgt worden, dass nur die Größenordnungen in den Tunnel geleitet wurden, die der Tunnel verkraftet“, erklärte Sauerland auf einer eilig anberaumten Pressekonferenz (Video zur Pressekonferenz). „Aber soweit wir das Szenario kennen, sind die Toten entstanden, weil man Sicherheitsvorkehrungen überklettert hat und dann abgestürzt ist.“

Ein Stadtsprecher wies den Vorwurf zurück, das Gelände sei für die Veranstaltung zu klein gewesen. Es sei ausreichend Platz für die Besucher gewesen, betonte er. Neben dem Haupteingang sei noch ein Nebeneingang geöffnet worden, als der Andrang zu groß wurde.

„Wir hatten alle Angst“

Foto: Peter Malzbender
Foto: Peter Malzbender © Peter Malzbender

Augenzeugen der Massenpanik berichten von schrecklichen Szenen. „Es waren Tausende Menschen im Tunnel. Viel zu viele auf jeden Fall. Die Leute sind reihenweise umgefallen. Und die Polizei hat von beiden Seiten immer mehr Leute in den Tunnel geschickt“, erzähl Loveparade-Besucher Mario sichtlich schockiert von den Ereignissen. „Wer umgefallen ist, wurde direkt niedergetrampelt“, ergänzt sein Begleiter Stefan: „Wir hatten alle Angst.“ Die Sanitäter seien zuerst auch nicht zu den Opfern durchgekommen. „Dann ist ein Rettungswagen durch die Menge gefahren, aber dadurch wurden alle noch mehr zusammengedrängt. Alle waren total hysterisch“, erinnert sich Augenzeugin Rebecca. Eine Freundin habe noch versucht, Opfer aufzuhelfen, die auf den Boden gefallen waren.

Dazu sagte Innenminister Ralf Jäger: „Der Veranstalter hatte genug Ordnungskräfte vor Ort. Wir werden in den nächsten Tagen die Ursachen untersuchen müssen, aber Vorrang hat nun die Versorgung der Verletzten und die Betreuung der Angehörigen.“ Um die Besucher „sicher nach Hause zu bringen“, so Jäger, seien aus ganz NRW weitere Einsatzkräfte herangezogen worden.

Foto: Peter Malzbender
Foto: Peter Malzbender © Peter Malzbender

Auf dem Gelände lief die Loveparade bis in den späten Abend weiter. Laut Stadtverwaltung entschloss sich der Krisenstab, die Loveparade nicht abzubrechen, um eine noch größere Panik zu vermeiden. Es wurden jedoch keine Besucher mehr auf das Areal gelassen und die Notausgänge des Geländes geöffnet. 150 Busse wurden geordert, die die Besucher nach Hause bringen sollten. Die Polizei richtete eine Notrufnummer unter 0203-94000 ein. Die Nachricht von der Massenpanik verbreitet sich wie ein Lauffeuer unter den Besuchern. Verzweifelt versuchen Jugendliche am Hauptbahnhof, ihre Freunde zu erreichen. Eltern wollen sich vergewissern, dass ihre Kinder nicht unter den Toten sind. Aber das Handy-Netz ist zeitweise zusammengebrochen.

Zugverkehr musste immer wieder unterbrochen werden

Der Zugverkehr am Duisburger Hauptbahnhof war am Abend wieder angelaufen, musste aber immer wieder unterbrochen werden, weil Menschen auf den Gleisen unterwegs sind. Nach der Massenpanik auf dem Veranstaltungsgelände strömten zehntausende Besucher zum Hauptbahnhof. Um die Menschenmenge vor dem Hauptbahnhof kontrollieren zu können, waren am frühen Abend bereits Wellenbrecher aufgestellt worden. Zudem wurden Buslinien bereit gestellt, um die Besucher an ihr Fahrtziel bringen zu können.

Fritz Pleitgen, Geschäftsführer des Kulturhauptstadt-Projektbüros Ruhr.2010, hatte die Loveparade am Nachmittag verlassen - undzeigt sich extrem : „Alle waren fröhlich, alles war unter Kontrolle. Zuhause habe ich das Fernsehen angemacht und von den Toten gehört. Ich bin einfach tief betroffen. Furchtbar, wenn ich an die Angehörigen der Opfer denke. Ich habe ja selbst Kinder.“ Die Loveparde sei zwar auch unter dem „Label Kulturhauptstadt
“ gelaufen, Ruhr.2010 habe aber keinen Einfluss auf die Organisation gehabt. Pleitgen: „Wenn kommende Woche das Still-Leben auf der A 40 wäre, würde ich die Veranstaltung absagen.“