Essen. Eine Expertenkommission empfiehlt die Einführung einer City-Maut: Städte sollen für die Einfahrt von Autos in die Innenstadt eine Gebühr erheben. So seien Verkehrsströme besser kontrollierbar. Außerdem könnten so Finanzierungslücken geschlossen werden.
Bund und Länder suchen ab Donnerstag nach Wegen, Geld locker zu machen, um Schlaglöcher zu schließen, Lücken im Straßen- und Schienennetz zu stopfen und Neubauten voranzubringen. Eine vom Bundesrat beauftragte Experten-Analyse zeigt ein Defizit von sieben Milliarden Euro auf: Drei Milliarden werden zusätzlich für für kommunale Straßenprojekte sowie Bus und Straßenbahnen gebraucht, zwei Milliarden für die Schiene und 1,5 Milliarden für Bundesautobahnen und Landstraßen. Weitere 500 Millionen fehlen beim Ausbau der Wasserwege.
13 Seiten stark ist der Zwischenbericht, die die so genannte Daehre-Kommission beim Treffen der Länderverkehrsminister in Cottbus vorgelegt hat. Er ist brisant: Denn Kern ist der Vorschlag, eine City-Maut zuzulassen, die die Kommunen in eigener Regie (und mit jeweils selbst bestimmter Höhe) einführen können. Nicht nur Geldnöte sollen auf diese Weise behoben werden, sondern es soll auch der „innerstädtische Verkehr in Stoßzeiten entzerrt werden“. Als Gebührenhöhe pro Tag sind schon einmal die Kosten genannt, die ein Tagesticket bei Bus und Bahn kosten. Im Schnitt sind das sechs Euro.
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Einer der glühenden Befürworter der Idee ist Baden-Württembergs grüner Landesverkehrsminister Winfried Hermann. Auch andere Grüne wie der nordrhein-westfälische Verkehrsexperte Arndt Klocke machen sich dafür stark: „Gerade in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet wäre dies eine richtige und wichtige Maßnahme“. Aber Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU), der sich sonst durchaus für eine Pkw-Maut auf den Autobahnen einsetzt, hält sich diesmal zurück – er ist nur bedingt zuständig. Und vorsichtig äußern sich auch die Verkehrsminister selbst aus rot-grün regierten Bundesländern. Michael Groschek, sozialdemokratischer Landesverkehrsminister in NRW, mahnt: „Jede Lösung muss sozial- und umweltgerecht ausfallen“. Es gebe „keine Denkverbote“, sagte er. Aber er will, dass keine Lösung übers Knie gebrochen wird.
Nur wenige Großstädte kommen für City-Maut infrage
Tatsächlich kommen nur wenige Großstädte für eine City-Maut in Frage – die nämlich, in denen der Verkehr täglich zusammenbricht. Aus NRW hat sich bisher keine für eine solche Gebühr stark gemacht. Duisburg und Dortmund lehnen sie gleichlautend ab: „Für uns war, ist und wird sie kein Thema sein“. Auch der NRW-Städtetag ist strikt dagegen. Hauptgeschäftsführer Stephan Articus: „Es droht ein Verdrängungswettbewerb mit Ausgleichs- und Verlagerungseffekten auch auf die grüner Wiese“. Nur die Konkurrenz zwischen benachbarten Städten und dem Umland würde unnötig angeheizt.
Was helfe, sei eine Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Straßen. Auch der eher autoskeptische Verkehrsclub Deutschland (VCD) warnt vor der City-Maut: Bei einer Städte-Struktur wie in Deutschland „besteht die Gefahr, dass die City- Maut dazu beiträgt, Betriebe und Geschäfte vor die Tore der Stadt zu drängen, anstatt eine ökonomisch und ökologisch sinnvolle Entwicklung der Innenstädte zu fördern“. Es drohe, mehr als bisher schon, die „Verödung der Innenstädte“.
Verhindert Bundestagswahl die Umsetzung?
Ganz anders denkt die EU in Brüssel. Sie will die Abgabe zwar nicht verordnen, setzt sich aber – vor allem aus Gründen der Luftreinhaltung - für einen „Rechtsrahmen“ ein, in dem die Kommunen sie erheben können. Dabei bauen die Brüsseler auch auf teils positive Erfahrungen in europäischen Staaten.
So in London. Hier gibt es seit 2003 die „Congestion Charge“, die Staugebühr. Wer von Montags bis Freitags zwischen 7 und 18 Uhr ins Stadtzentrum fährt, muss zehn Pfund (elf Euro) pro Tag zahlen. Seither haben sich die Staus weitgehend verflüchtigt, die Luft verbesserte sich massiv, die Nutzung von Busssen und U-Bahnen stieg drastisch an.
In Norwegen bitten Oslo, Bergen und Trondheim, aber auch Stavanger zur Kasse, in Italien Bologna und Mailand. Deutschlands größte Stadt, Berlin, hat auch darüber nachgedacht – und letztlich Nein gesagt.
Ob die Länderverkehrsminister der Berichts-Empfehlung folgen? Vor der Bundestagswahl eher nicht, heißt es aus ihren Reihen.