München. Kinder nehmen Entfernungen und Geschwindigkeiten oft noch nicht richtig wahr. Verkehrsexperten raten Eltern mit ihren Kindern vor dem Schulbeginn den Schulweg zu üben. “Einfache Schulwege mindestens siebenmal abgehen, schwierigere mindestens doppelt so oft“, so ADAC-Sprecher Christian Buric.
Zum Schulanfang gehört nicht nur die klassische Schultüte für die Erstklässler, sondern ebenso eine frühzeitige und zweckmäßige Vorbereitung auf den Schulweg. "Unfallursache Nummer eins bei Kindern, die zu Fuß zur Schule gehen, ist das Überqueren der Fahrbahn", sagt ADAC-Sprecher Christian Buric. Deshalb sollte der Schulweg vorher ausführlich geübt werden.
Denn "am ersten Schultag ist es zu spät", warnt Buric. "Kinder sind keine kleinen Erwachsenen", skizziert Andreas Bergmeier vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat das Problem: "Sie haben nicht den Überblick, und sie verhalten sich mitunter völlig anders, wenn sie alleine oder in der Gruppe sind."
Werden beispielsweise Klassenkameraden auf der anderen Straßenseite entdeckt, wird der Verkehr uninteressant. "Gerade jüngere Kinder lassen sich stark von ihrer Gefühlslage leiten, und die kann sich schnell ändern", sagt Bergmeier. Hinzu kommt, dass Kinder noch nicht die körperlichen Voraussetzungen haben, um das Verkehrsgeschehen richtig zu überblicken - im wahrsten Sinn des Wortes. Sie besitzen einen wesentlich geringeren Überblick als Erwachsene, nehmen Entfernungen und Geschwindigkeiten oft noch nicht richtig wahr.
"Erklären Sie ihrem Kind ausführlich mögliche Gefahrenstellen", rät Gerhard Laub, Verkehrspsychologe des TÜV Süd. Hans-Ulrich Sander vom TÜV Rheinland empfiehlt Eltern einen Perspektivwechsel. "Gehen Sie mal in die Knie und sehen Sie sich mal auf Augenhöhe ihres Kindes die Verkehrssituationen an den kritischen Punkten des Schulweges an." Denn die Perspektive eines Kindes sei aufgrund der Körpergröße eine andere als die eines Erwachsenen.
Der Schulweg kann mit Kamera geübt werden
Beim Kennenlernen des künftigen Schulweges kann auch eine Handy-Kamera genutzt werden. "Gemeinsam mit dem Schulanfänger wird der Weg geübt", schlägt Sander als Anti-Unfall-Strategie vor. "Kritische Punkte werden fotografiert und mit dem Kind anschließend anhand der Fotos das korrekte Verhalten an den jeweiligen Gefahrenpunkten besprochen."
Einen weiteren Tipp fürs Erkunden des Schulweges gemeinsam mit dem Kind hat Hans-Jürgen Götz von der Sachverständigenorganisation GTÜ: "Tauschen Sie dabei die Rollen und lassen Sie sich den Schulweg einmal von Ihrem Kind erklären. So erkennt es Gefahrenstellen häufig selbst." Zudem sollten Schulanfänger samt Eltern den neuen Weg zu den üblichen Schulzeiten abgehen. So lernen die Kinder genau die Verkehrsbedingungen kennen, die sie später allein zu meistern haben. "Als Faustregel gilt, einfache Schulwege mindestens siebenmal abgehen, schwierigere mindestens doppelt so oft", sagt ADAC-Sprecher Christian Buric.
Das Überqueren der Fahrbahn ist erfahrungsgemäß ein besonderes Problem. Deshalb sollten diese Schritte intensiv geübt werden: vor jedem Betreten der Fahrbahn am Bordstein stehen bleiben, nach allen Seiten schauen, zuerst nach links, dann nach rechts, dann wieder nach links, um dann auf kürzestem Weg über die Straße zu gehen.
Eltern sollten den Weg zur Haltestelle mit ihren Kindern üben
Wenn möglich sollte die Straße nur an Ampeln und Fußgängerüberwegen überquert werden. An Zebrastreifen Blickkontakt zu den Autofahrern aufnehmen, ebenso auf Fahrbahnteilern, raten die Fachleute. "Wird mit dem Schulbus der Weg absolviert, dann sollten Eltern auch dies mit ihren Sprösslingen üben", sagt ADAC-Sprecher Buric. Das gilt für den Hin- und Rückweg zur Haltestelle und ebenso für das Ein- und Aussteigen.
"Immer erst an den Bus herantreten, wenn er zum Stehen gekommen ist und die Tür geöffnet ist. Nach dem Aussteigen warten, bis der Bus weggefahren ist, und erst dann die Fahrbahn überqueren", sagt Buric. Wichtig sei zudem, dass der Schulanfänger rechtzeitig an der Haltestelle sei, damit es nicht zu Zeitdruck komme.
Fahrrad erst ab der 4. Klasse fahren
Mit dem Fahrrad zur Schule sollten Kinder in den ersten Schuljahren überhaupt nicht fahren. "Selbst wenn sie ihr Rad schon beherrschen, so sind sie im Straßenverkehr doch immer noch völlig überfordert", gibt TÜV-Fachmann Sander zu bedenken. Neben den Fähigkeiten, ein Fahrrad sicher zu bewegen, die Balance zu halten und gleichzeitig den Straßenverkehr wahrzunehmen, benötigen die jungen Radfahrer auch Regelkenntnisse und Verständnis für Verkehrssituationen.
Verkehrspädagogen raten daher, dass Kinder frühestens nach bestandener Radfahrausbildung im vierten Schuljahr allein mit dem Rad im Straßenverkehr fahren sollten. Spielen die Eltern Schultaxi, gilt - wie sonst auch - die Anschnallpflicht. Kinder bis zum zwölften Lebensjahr sollten nach Möglichkeit hinten sitzen; erst ab 1,50 Meter Körpergröße dürfen Kinder den normalen Sitzgurt benutzen. Und: "Es dürfen nur so viele Kinder mitgenommen werden, wie auch im Auto gesichert werden können", sagt Buric. (dapd)