Berlin/Frankfurt. . Konzerne wie Bahn, Air Berlin und Lufthansa reagieren auf Kritik in sozialen Netzwerken. Die Konzerne beschäftigen teils mehr als ein Dutzend Mitarbeiter für den digitalen Austausch mit ihren Kunden.
"Aufzug Gleis 5 Bahnhof Dieburg funktioniert nicht", "Nur damit ihr's wisst: Ich kann 'Max Maulwurf - Held der Baustelle' nicht leiden" oder auch "Liegengebliebener Zug? Wie wäre es mal seine Technik ordentlich zu warten?" - Früher hätten Kunden diesen Frust häufig runtergeschluckt, heute regen sie sich öffentlich in sozialen Netzwerken auf - und alarmieren so nicht zuletzt die Unternehmen.
Die Konzerne reagieren: Air Berlin, Bahn und Lufthansa beschäftigen teils mehr als ein Dutzend Mitarbeiter für den digitalen Austausch. "Soziale Netzwerke können nicht mal eben nebenbei gepflegt werden", sagt Bahn-Managerin Antje Lüssenhop. Sie leitet die PR des Berliner Konzerns, der 18 Mitarbeiter für digitale Gespräche abgestellt hat. Für die Managerin ist das ein "großer Schritt", sagt sie.
Spaßvögel narren die Konzerne
Lüssenhops Mitarbeiter im Berliner Bahn-Tower pflegen gleich mehrere Profile bei Twitter und Facebook, darunter @DB_Bahn. Hier schlagen Frust wie Fragen der Reisenden auf. Neu dabei: Jeder Internetnutzer kann die Gespräche mitlesen, alles ist transparent. Was früher bei den Mitarbeitern aufschlug, blieb dort. "Mit der Präsenz in sozialen Netzwerken geben sie eine Form von Kontrolle ab", sagt Lüssenhop. Im Frühjahr amüsierten sich beispielsweise viele im Netz über den Hilferuf "Im IC2372 von Gö nach Hannover ist in der vordersten Toilette kein Klopapier mehr - Ich sitze auf der Toilette". Die Bahn stieg ein, gab Tipps und ging damit einem Spaßvogel auf den Leim.
Tatsächlich beantwortet die Bahn viele Kommentare binnen weniger Minuten und reicht Beschwerden an Fachabteilungen weiter. Die kümmern sich darum, dass etwa ausgefallene Rolltreppen anlaufen. "Natürlich gibt es vereinzelt immer wieder User mit (speziellem) Humor", heißt es zu dem "Klopapier-Eklat". Die große Mehrheit der Nutzer hätten hingegen "konkrete Fragen, Bitten oder Anregungen". Allein 14.000 Anfragen auf der Facebook-Seite des Personenverkehrs will die Bahn bereits beantwortet haben, in gerade einmal einem halben Jahr. Hinzu kommen Reaktionen bei Twitter - und das häufig im Minutentakt: Seit @DB_Bahn vor exakt einem Jahr zum Juni 2011 in die Spur geschickt wurde, haben die Berater auf 24.000 Tweets reagiert.
"24/7-Support" in allen Zeitzonen
Auch die Lufthansa macht sich die Hinweise ihrer Kunden über soziale Netzwerke zunutze. Sie schickt dann etwa Techniker zur Reparatur streikender Check-In-Automaten. Marketing-Manager Torsten Wingenter, zuständig für soziale Netzwerke, will gar eine Verschiebung "in den Eingangskanälen der Kundenfeedbacks" festgestellt haben.
Übersetzt heißt das: Immer mehr Lob und Kritik laufen bei Facebook und Twitter auf statt auf den klassischen Kanälen wie Telefon, Fax oder E-Mail. "Wir möchten unsere Kunden dort erreichen, wo sie sind", erklärt Wingenter. Lufthansa werte dafür Facebook rund um die Uhr aus. Als nächstes will Wingenter den "24/7-Support" auch bei Twitter starten. Es geht letztlich um mehr Personal - und Kunden in allen Zeitzonen.
"Da wird so oder so diskutiert"
Schwierig wird das mit der offenen Kommunikation aller Anstrengung zum Trotz jedoch mitunter bei akuten Problemen. Als Anfang Mai bekannt wurde, dass der Berliner Großflughafen deutlich länger auf sich warten lassen würde als geplant, kam das nicht zuletzt für die Fluggesellschaften überraschend. Sie mussten sich erst mal sammeln. Nutzer, die Air Berlin und Lufthansa damals auf Twitter fragten, was mit ihren bereits auf den neuen Flughafen ausgestellten Tickets sei, liefen einen halben Tag ins Leere. Im Web 2.0 ist das eine Ewigkeit. Auf die massive Präsenz in sozialen Netzwerken verzichten wollen die Konzerne trotz mancher Schwierigkeiten aber auf keinen Fall.
"Die Themen werden in den sozialen Netzwerken so oder so diskutiert", sagt Lufthanseat Wingenter. Er wolle da viel lieber mitreden. Und auch bei der Bahn heißt es, mit dem Engagement seien nicht nur die kritischen bis teils hämischen Fragen an den Konzern öffentlich, sondern auch die Antworten: "Hier sehen wir unsere große Chance." (dapd)