Essen. Was haben NRW-Innenminister Jäger und sein Parteifeind Bundesverkehrsminister Ramsauer gemeinsam? Sie schießen mit der Schrotflinte aus der Hüfte und zielen auf den Wähler. Wer wird Punktsieger und Meister-Jäger am Tag des 24-Stunden-Blitz-Marathons?

Wollte CSU-Populist Peterle dem SPD-Ralle die Schau stehlen, als er am Donnerstag die zweite Stufe seiner Punktereform-Rakete in der ihm verbundenen Heimatzeitung zündete? Acht Punkte – Führerschein weg, gegen die „Bild“-Schlagzeile war der für Freitag ausgerufene Blitz-Marathon in NRW natürlich nur eine kleine Nummer, auch wenn der NRW-Innenminister Jäger seinem Namen alle Ehre gab und nach eigenen Angaben landesweit 1400 Tempokontrollen einmal rund um die Uhr scharf stellen ließ. (In Großbritannien hätten sich die Paparazzi-Fotografen des Boulevards längst täglich an den Dienstjadtwagen gehängt und jede Minimalübertretung genüsslich fotografiert.)

Dank der ausführlichen Vorwarnung fuhren am Freitag nur Menschen mit ausgeprägtem Verlust des Lang- wie des Kurzzeitgedächtnisses schneller, als die Polizei erlaubt. Innerstädtisch schien die das Spitzentempo im Schnitt auf 47 km/h gefallen zu sein. Wird Herr Jäger jetzt auch die Standpunkte der Alkoholkontrollen zu Karneval veröffentlichen, damit nur ja kein Trinker am Steuer erwischt wird? Gesamtwertung für Jäger-Meister: null Punkte.

So in die Radarfalle zu tappen, das würde Peter Ramsauer nie passieren. Seine geplante Entschärfung der Verkehrssünderkartei beim Flensburger Kraftfahrt-Bundesamt – denn genau das ist der Hauptzweck der Übung – bringt er häppchenweise unters Wahlvolk und bleibt als Macher im Gespräch. davon gibt es ja nicht so viele in der Bundesregierung.

Ob eine neue Punkte-Grenze bis zum Führerscheinverlust dabei acht, achtundzwanzig oder null-komma-acht beträgt, ist dabei unerheblich. Wichtig ist nur, das man sich voraussichtlich mehr Verstöße in der gleichen Zeit erlauben kann, bis die Fahrerlaubnis vorübergehend eingezogen wird. Was Herr Ramsauer auch nicht so gerne in den Mund nimmt, ist die unumgängliche Erhöhung der im EU-Vergleich discounthaft niedrigen Bußgelder in Deutschland. Damit lässt sich aber kein Stammtischbruder stimmentechnisch einfangen.

Zum guten Schluss eine Meldung aus der Realität: 100 waren erlaubt, mit mehr als 200 km/h wurde ein Raser auf der A4 bei Chemnitz gestellt, und das bei leichtem Schneetreiben und einsetzender Schneeglätte. Der 50-Jährige müsse nun mit einem Bußgeld von 600 Euro, vier Punkten in Flensburg und drei Monaten Fahrverbot rechnen. Ist das eigentlich wirklich eine beeindruckende Strafe für lebensgefährliches Verhalten?