Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit will die Bundesregierung die Flensburger Verkehrssünderdatei radikal umbauen. Ein neuer Punkteschlüssel soll nach dem Willen von Verkehrsminister Peter Ramsauer das Strafsystem übersichtlicher machen. So soll die Grenze für den Führerscheinentzug von 18 auf 8 Punkte sinken, wie der CSU-Politiker am Donnerstag in Berlin sagte.

Berlin (dapd). Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit will die Bundesregierung die Flensburger Verkehrssünderdatei radikal umbauen. Ein neuer Punkteschlüssel soll nach dem Willen von Verkehrsminister Peter Ramsauer das Strafsystem übersichtlicher machen. So soll die Grenze für den Führerscheinentzug von 18 auf 8 Punkte sinken, wie der CSU-Politiker am Donnerstag in Berlin sagte. "Das klingt drastisch", das ganze System werde aber gestaucht. Vergehen, für die es bisher drei Punkte gab, sollen künftig nur noch mit einem Punkt bestraft werden. Automobilverbände kritisierten die Reformpläne als fehlerhaft.

Das System sei derart kompliziert geworden, dass niemand mehr durchblicke, begründete Ramsauer sein Vorhaben. "Ich will das einfacher, transparenter und handhabbarer machen." Ziel sei es, mit der Reform die Verkehrssicherheit zu erhöhen, sagte der CSU-Politiker. Eckpunkte will er Ende Februar vorstellen. Dann will der Minister auch erläutern, was mit den 47 Millionen alten, im Verkehrszentralregister des Kraftfahrtbundesamtes in Flensburg registrierten Punkten passiert.

Letzte Verwarnung soll angeblich bei sechs Punkten liegen

Die "Bild"-Zeitung berichtete, künftig soll es für "grobe" Verstöße - wie etwa 21 Kilometer pro Stunde innerorts zu schnell fahren - nur noch einen Punkt geben. "Schwerwiegende" Ordnungswidrigkeiten wie das Fahren über eine rote Ampel (bisher drei bis sieben Punkte) sollen generell mit zwei Punkten geahndet werden. Nach Informationen der "AutoBild" erfolgt bei einem Stand von vier Punkten eine "Ermahnung", bei sechs Punkten eine letzte "Verwarnung".

Wie bisher können Punkte demnach durch Nachschulung rechtzeitig abgebaut werden. Bei Straftaten wie etwa Trunkenheit am Steuer wird der Führerschein weiterhin sofort entzogen. Die neuen Regeln sollen Ende 2013 in Kraft treten. Laut der Zeitung sollen auch die Geldstrafen für Verkehrsgefährdung drastisch erhöht werden.

VCD: Umbau begünstigt Raser

Der Auto Club Europa (ACE) kritisierte die von Ramsauer anvisierte Beschränkung auf ein zweigeteiltes Punkte-System für grobe und schwere Verkehrsverstöße. Damit verabschiede sich der Minister von einer differenzierten Bewertung einzelner Verkehrsvergehen im Hinblick auf ihre Aussagekraft für die Fahreignung, sagte ACE-Chefjurist Volker Lempp. Nach Einschätzung des Verkehrsclubs VCD begünstigt das System Raser. "Nach Ramsauers Vorschlag dürften Autofahrer häufiger mit 60 Kilometern pro Stunde durch eine Tempo-30-Zone rasen, bevor der Führerschein entzogen wird", sagte der verkehrspolitische VCD-Sprecher Gerd Lottsiepen. Von der Reform würden lediglich notorische Punktesammler profitieren.

Der ADAC hielt sich hingegen bei einer Beurteilung zurück. "Man muss jetzt zunächst einmal abwarten, was dann im Detail herauskommt", sagte ADAC-Sprecher Klaus Reindl im Fernsehsender n-tv. "Es wird auf jeden Fall nicht so sein, dass man jetzt auf einmal den Führerschein etwa früher oder schneller verliert, als das bisher der Fall war." Grundsätzlich geht es laut ADAC bei der Reform darum, die Zahl der Einträge in Flensburg deutlich zu verringern und das System zu vereinfachen.

Verkehrsausschuss beklagt mangelnde Abstimmung

SPD-Verkehrsexperte Sören Bartol hegt Zweifel, ob "der Plan nicht einen Rabatt für Drängler und Raser bedeutet". Und ihm fehle die Fantasie, sich vorzustellen, wie in einem System mit einem und zwei Punkten noch vernünftig differenziert werden könne, sagte Bartol der "Mitteldeutschen Zeitung" (Freitagausgabe). Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Anton Hofreiter, beklagte eine fehlende Abstimmung mit dem Gremium. "Auch der Verkehrsausschuss hat das Ganze nur aus der Zeitung erfahren", sagte der Grünen-Abgeordnete im N24-Interview.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält eine Überprüfung des seit 1958 existierenden Registers zwar für sinnvoll, die Interessenvertretung bezeichnete Ramsauers jetzige Pläne aber als "anlasslosen politischen Arbeitsnachweis". "Eine wirksame Verbesserung der Verkehrssicherheit wird nicht dadurch erreicht, dass ein funktionierendes und in der Bevölkerung akzeptiertes System auf den Kopf gestellt wird", sagte der GdP-Bundesvorsitzende Bernhard Witthaut.

dapd