Essen. NRW bleibt Deutschlands Stau-Bundesland Nummer 1. 2011 gab es 60.000 Staumeldungen - ein neuer Rekord. Trotzdem schneidet NRW bei den vom Bund geplanten Investitionen in den Straßenbau schlecht ab. Der Landesverband des Deutschen Gewerkschaftsbundes geht auf die Barrikaden.

Autofahrer in Nordrhein-Westfalen sind 2011 so oft wie nie zuvor in die Staufalle geraten. Nach Berechnungen des ADAC hat es hier im zu Ende gehenden Jahr 60 000 Stau-Meldungen gegeben. Das sind erneut 3000 mehr als im Rekordjahr 2010. NRW bleibt damit Deutschlands Stauland Nr. 1 vor Berlin (30 000 Meldungen) und Bayern (26 000 Meldungen). Von den bundesweit registrierten 189 000 Staumeldungen kommt ein Drittel aus der Region an Rhein und Ruhr, obwohl hier nur ein Fünftel der Bevölkerung wohnt.

ADAC-Chef Peter Meyer sagte der „Berliner Morgenpost“, vor allem die Autobahnen vom Ruhrgebiet nach Frankfurt und in Richtung Hannover und der Kölner Ring müssten erneuert werden, um die Verkehrsmengen aufnehmen zu können: „Die Politik hat sich in der Vergangenheit vor allem auf den Aufbau Ost konzentriert. Jetzt müssen wir prüfen, welche Autobahnen im Westen dringend ausgebaut werden müssen“.

Statt NRW wird Verkehrsausbau in Süddeutschland gefördert

Doch tatsächlich wird es keine Abkehr von der Politik der Investitionen „nach Himmelsrichtung“ geben. Gerade erst hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) seine Pläne für die nächsten fünf Jahre vorgelegt. Ergebnis: Statt der Förderung des Ostens wird Berlin den weiteren Verkehrsausbau in Süddeutschland forcieren.

In Zahlen: Von den 11,2 Milliarden Euro, die für „Vorrang-Ausbauten“ bei Straße und Schiene ausgegeben werden sollen, fließen 1,9 Milliarden Euro nach Bayern, 1,72 Milliarden nach Baden-Württemberg und gerade 1,56 Milliarden Euro nach NRW. Das ist ein Siebtel der Gesamtsumme. Nach dem „Königsteiner Schlüssel“ für 2011, der der Anhaltspunkt für die Investitionsverteilung des Bundes auf die Länder ist, steht Nordrhein-Westfalen mit 21,4 Prozent aber eigentlich etwas mehr als ein Fünftel zu.

Ungleiche Verteilung der Bundes-Milliarden

Die ungleiche Verteilung der Bundes-Milliarden löst zunehmend Ärger an Rhein und Ruhr aus. Andreas Meyer-Lauber, Chef des Landesverbandes des Deutschen Gewerkschaftsbundes: „Tagtäglich bewegt sich Nordrhein-Westfalen am Rand des Verkehrskollapses. Sowohl unsere Autobahnen als auch zahlreiche Bahnstrecken sind stark überlastet“. Vor dem Hintergrund, dass sich der internationale Transitverkehr durch NRW bis 2025 verdoppeln werde, „ist es nicht hinnehmbar, dass Bundesverkehrsminister Ramsauer die Mittel für Infrastrukturprojekte nach bayerischer Gutsherrenart und parteipolitischem Kalkül verteilt.“

Meyer-Lauber wörtlich: Es sei „unverschämt und unverantwortlich, dem bevölkerungsreichsten Bundesland NRW weniger Gelder zur Verfügung zu stellen als dem kleinen Bayern“.

Verpasste Lobbyarbeit in Berlin

Das Grummeln über die Geldverteilung hält seit langem an. NRW-Verkehrsstaatssekretär Horst Becker (Grüne) war in diesem Jahr der erste, der als Ursache dafür die regionale Abstammung der Verkehrsminister in Berlin nannte: Die meisten kämen eben aus Süddeutschland. Oliver Wittke, Generalsekretär der NRW-CDU, befürchtet, dass die Vorgabe Ramsauers, mehr Geld in Instandsetzung als in Neubau von Straßen zu stecken, wieder nur dem Süden zu Gute kommt: Über viele Jahrzehnte neu gebaute Straßen in Bayern müssten wohl jetzt saniert werden.

In der Bundeshauptstadt gibt es aber auch Stimmen, die sagen: NRW-Regierungen aller Couleur hätten es in der Vergangenheit versäumt, mit Lobbyarbeit ausreichend für die Interessen ihrer Bürger zu trommeln. Baden-Württemberger hätten sich dagegen „alle zwei Tage die Klinke in die Hand gedrückt“.

Ruhrschnellweg A 40 ist überlastet

Wir das jetzt anders? Im November haben zahlreiche sozialdemokratische Bundes- und Landtagsabgeordnete einen Brief an Ramsauer geschrieben. „Dem Minister muss endlich die bundesweite Bedeutung von Nordrhein-Westfalen bewusst werden“. Mit dem Hinweis auf den überlasteten Ruhrschnellweg A 40 fordern sie den schnellen Bau der Bahnlinie Rhein-Ruhr-Express (RRX) von Dortmund über Duisburg und Düsseldorf nach Köln.

Ramsauer lenkte darauf hin ein. Allerdings nur ein bisschen. Er will in den nächsten fünf Jahren 175 Millionen Euro für dieses Projekt geben – bei geschätzten Gesamtkosten zwischen zwei und drei Milliarden.