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Das hier sollte eigentlich ein Text über Retro-Motorräder werden. Weil Retro gerade modern ist. Nicht nur bei Motorrädern: siehe VW Beetle, Mini und Fiat 500. Denn Retro ist das Versprechen von den guten alten Zeiten, von den einfachen Dingen, die glücklich machen. Retro ist das Placebo gegen ABS und Traktionskontrolle, Mapping und Can-Bus. Gegen all das Komplizierte in der Welt.

 Und dann steht sie da, die Moto Guzzi V7 Racer: Rahmen und Naben in Rot, kleines Windschild am Cockpit, der Tank verchromt, die Sitzbank mit Alpaka-Leder bezogen, Nummerntafeln am Heck.

Schmal und flach, so waren Motorräder früher mal. Man reckt sich über den Lederriemen bespannten Tank zum M-Lenker, platziert die Füße auf der gefrästen Fußrastenanlage, und es wird klar: Das ist nicht retro. Das ist alt. Statt nur modisch. Kein Design-Placebo, sondern ehrliches Motorrad-Gefühl. Das glücklich macht.

Längsliegender V-Zweizylinder

Hat sich der 1967 erstmals vorgestellte, ungewöhnlicherweise längsliegende V-Zwei­zylinder mit 744 Kubikzentimetern Hubraum anno 2011 nämlich erst mal (mit Choke! wie antiquiert) warmgerumpelt, macht er Spaß, als hätte er doppelt so viel Kraft. Denn selten waren 49 PS (kaum mehr als die Ur-V7 vor 44 Jahren) dermaßen vorlaut und unterhaltsam: Da brabbelt und röhrt es, trommelt und pufft es, dass es nur so eine Freude ist. Und man ertappt sich dabei, langsamer als sonst unterwegs zu sein: Nicht, weil es nicht schneller ginge, sondern weil das Technik-Ereignis faszinierender ist als der Geschwindigkeits-Rausch.

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. © Moto Guzzi | Moto Guzzi

Erleben statt rasen. Dabei lassen sich die 200 Kilogramm auf schmalen Reifen nicht nur äußerst handlich, sondern auch durchaus zügig bewegen: Das Fahrwerk ist, ganz wie früher, von ehrlicher Härte und bodenständiger Stabilität, auch die Bremsen geben keinen Anlass zur Klage. Der verchromte Tank, der leider nur aus Kunststoff ist, und der objektiv unzutreffende Namenszusatz „Racer“, der zur Abgrenzung gegenüber den ebenfalls hübschen (und günstigeren) Schwestermodellen „Classic“ und „Café Classic“ dient, sind die einzigen Schönheitsfehler an diesem 9490 Euro teuren Motorrad, das nicht Retro ist, sondern Renaissance. Die Wiedergeburt des Schönen und Einfachen.

Vergangenheit lässt sich nur selten wiederbeleben

Was auch erklärt, warum Retro-Design beliebt ist, sich echte Vergangenheit aber nur selten als Neufahrzeug wiederbeleben lässt: Die Welt ist nicht mehr schön und einfach. Und moderne Fahrzeuge können es auch nicht mehr sein. Vielleicht ist das der Grund, warum nicht auch BMW längst seine legendäre Motorrad-Tradition zitiert.