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Trauriger Rekord: Nordrhein-Westfalen ist Spitzenreiter bei den Punktesündern, die im Verkehrszentralregister (VZR) in Flensburg geführt werden. Die meisten Einträge haben Männer zwischen 25 und 44 Jahren für zu schnelles Fahren gesammelt.
33 Prozent mehr offizielle Verkehrssünder gab es im Januar 2010 gegenüber 2001. Die Zahl der Punktesammler hat damit einen neuen Höchststand erreicht: Knapp neun Millionen Deutsche sind in der Kartei des Kraftfahrt-Bundesamts in Flensburg verzeichnet, davon allein zwei Millionen aus Nordrhein-Westfalen. Die meisten Punktesünder sind Männer zwischen 25 und 44 Jahren, die in NRW beim Rasen erwischt wurden.
Mit 1.131.000 Delikten wurden nahezu ein Viertel der 2009 in Flensburg verzeichneten Verkehrsverstöße in NRW begangen. Zum Vergleich: Platz zwei belegt Bayern mit 687.000 Delikten, Mecklenburg-Vorpommern kommt als Schlusslicht gerade einmal auf 110.000 Verstöße. Dass sich diese einsame Spitzenposition nicht direkt anhand der Bevölkerungsdichte von Nordrhein-Westfalen relativieren lässt, zeigt eine vom ACE Auto Club Europa veröffentlichte Untersuchung.
In NRW sind viele zu schnell unterwegs
Auch in Relation zur Bevölkerungszahl bleibt Nordrhein-Westfalen der ACE-Studie zufolge Spitzenreiter bei den Punktesündern: 1.422 von 10.000 strafmündigen Einwohnern sind hier mit Punkten in Flensburg belegt. An zweiter Stelle folgt Mecklenburg-Vorpommern mit einem Wert von 1.365. Fast gleichauf liegt Baden-Württemberg, wo 1.359 pro 10.000 Einwohner im Straßenverkehr auffällig wurden. Deulich unter dem bundesdeutschen Durchschnittswert liegen Sachsen, Thüringen und das Saarland, wo nur gut jeder zehnte Einwohner mit Punkten in Flensburg behaftet ist. Allerdings gab es im Saarland in 2009 den größten Zuwachs an Punktesündern, während die Hessen im Vergleich zum Vorjahr eine gesteigerte Gesetzestreue an den Tag legten.
Die ACE-Studie lässt derweil offen, ob der NRW-Rekord in der schlechten Verkehrsmoral der hiesigen Autofahrer begründet ist. Eine mögliche Erklärung könnte auch die polizeiliche Kontrolldichte liefern. "In Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise ist auf den Straßen nicht so viel los, deshalb gibt es auch keinen so hohen Bedarf an Kontrollen. In NRW gibt es dagegen viele Ballungsräume und das nordrhein-westfälische Innenministerium hat in den letzten Jahren den Hauptfokus auf Geschwindigkeitsmessungen gelegt", erklärt Roman Suthold vom ADAC NRW.
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In die Radarfallen sind dann auch die meisten Fahrer getappt. Deutlich mehr als die Hälfte der im Jahr 2009 neu hinzugekommenen Einträge hatten ihre Ursache in Geschwindigkeitsübertretungen. Allein in NRW gab es in 667.000 Fällen Verkehrssünder-Punkte für zu schnelles Fahren. An zweiter Stelle stehen rund 400.000 Vorfahrtverletzungen wie das Überfahren einer roten Ampel oder eines Stoppschilds. 85.000 dieser Einträge entfallen auf Verkehrsteilnehmer aus NRW. Platz drei der Punkte-Hitliste belegen Alkohol und Drogen im Straßenverkehr. 30.000 derartige Verstöße wurden in NRW, 191.000 insgesamt gezählt - der niedrigste Wert seit zehn Jahren. Fahren ohne Führerschein (24.000 in NRW, 100.000 insgesamt) und das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort (6.000 in NRW, 32.000 insgesamt) spielen in der Statistik eher eine untergeordnete Rolle.
Alter und Geschlecht sind entscheidend
Neben dem Bundesland sind auch Alter und Geschlecht entscheidende Variablen in der Flensburger Kartei. So scheinen Männer die Verkehrsregeln weniger genau zu nehmen als Frauen: Auf einen Eintrag einer Frau im VZR kommen 3,8 Einträge männlicher Verkehrsteilnehmer. Die Männer in NRW lassen dabei die anderen Bundesländer hinter sich: Von 1.000 strafmündigen männlichen Einwohnern haben in NRW 226 einen Eintrag im Verkehrszentralregister. Aber auch die nordrhein-westfälischen Frauen liegen - gemeinsam mit den Damen aus Baden-Württemberg - im bundesdeutschen Vergleich an der Spitze. Von 1.000 Einwohnerinnen sündigen hier immerhin noch 64 im Verkehr.
Außerdem geht fast die Hälfte aller Einträge in Flensburg auf das Konto der Altersklasse zwischen 25 und 44 Jahren. Bei jungen Fahrern bis 21 Jahre wirken sich offenbar die Restriktionen des Führerscheins auf Probe positiv aus. In der Altersklasse ab 45 Jahren nehmen die Verstöße deutlich ab. Dies gilt erst recht für Fahrer, die das Rentenalter erreicht haben.
Psychologische Tricks können Punktesündern helfen
"Viele Autofahrer nehmen Verkehrsschilder nur als Hinweis, aber nicht als Befehl entgegen", weiß Rüdiger Born vom Bundesverband Niedergelassener Verkehrspsychologen (BNV). "Es macht Arbeit, sich an die Regeln zu halten." Um den Autofahrern diese Arbeit zu erleichtern, gibt der Diplom-Psychologe ein paar einfache Tipps:
1. Entlastung schaffen: Wer wegen eines Termins unter Zeitdruck steht, neigt häufig zu Geschwindigkeitsüberschreitungen. Entlastung kann der Autofahrer schaffen, indem er rechts ran fährt, anruft und den Termin verlegt.
2. Den Ärger aussitzen: Wer hinter einem langsamen Fahrer herfährt, erliegt manchmal der Versuchung, zu dicht aufzufahren oder gar unerlaubte Überholmanöver zu starten. Verkehrspsychologe Born rät in solchen Fällen, eine Fünf-Minuten-Pause an der Raststätte einzulegen. Der Ärger verraucht und der andere Fahrer ist nach der Pause längst weit weg.
3. Rational denken: "Wir sind auch beim Autofahren oft von Phantasien geplagt. Wir denken, der andere fährt nur so langsam, um uns zu ärgern. Das ist besonders schmerzlich", sagt Born. "Wenn man die Situation nüchtern betrachtet und sich darüber klar wird, dass dies nicht der Fall ist, ist die Fahrweise der anderen Verkehrsteilnehmer leichter auszuhalten."
4. Cool bleiben: "Alle Arten von starken Gefühlen sind dem konzentrierten Fahren abträglich", weiß der Psychologe. Wenn wir also wütend, aufgeregt oder besonders motiviert sind, wirken sich diese Emotionen auch auf unsere Fahrweise aus. "Starke Gefühle sollte man deshalb nur außerhalb des Straßenverkehrs genießen."