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Die Autoindustrie rückt von ihrer Zusage ab, Pkw-Klimaanlagen besonders umweltfreundlich zu betreiben. Das Ersatzmittel ist hochgradig brennbar.
Auf der „grünen“ IAA, die 2007 ganz im Zeichen vorgeblicher Umweltfreundlichkeit des Autos stattfand, gab die deutsche Automobilindustrie ein Versprechen ab. In Zukunft sollten die Auto-Klimaanlagen aus Deutschland auf den Betrieb mit dem besonders umweltverträglichen Kältemitel Kohlendioxid umgerüstet werden. Drei Jahre später brechen die Hersteller dieses Versprechen.
Offenbar auf Druck der Chemiekonzerne setzen die Fahrzeughersteller auf einen Ersatzstoff, der nach Ansicht von Experten hochriskant und leicht entflammbar ist. Umweltverbände und Behörden warnen.
Ab 2011 dürfen die Klimaanlagen neuer Pkw-Typen in der EU nur noch mit einem umweltfreundlicheren Kältemittel als bisher betrieben werden. 2017 gilt das für alle Neuwagen. Einen Ersatz für das bislang gebräuchliche, stark klimaschädigende Kältemittel R-134a hatte man in Deutschland schon gefunden.
Für Kohlendioxid müssten neue Klimaanlagen entwickelt werden
2007 kündigte der Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) an, dass die deutschen Konzerne zukünftig in Pkw-Klimaanlagen „als weltweit erste Unternehmen der Automobilindustrie das besonders umweltfreundliche natürliche Kältemittel R-744“ einsetzen werde. R-744 ist das Kürzel für Kohlendioxid.
Doch obwohl die Autoindustrie in den vergangenen Jahren intensiv in die neue Technik investierte, wurden CO2-betriebene Klimaanlagen bislang nie in Serie produziert. Angekündigt ist eine solche Anlage für das kommende Elektroauto von BMW.
Im Mai vollzog der VDA die Kehrtwende: Die deutsche Autoindustrie werde als neues Kältemittel R-1234yf einsetzen, heißt es in einem Positionspapier. „Die Entscheidung steht“, sagte ein VDA-Sprecher dieser Zeitung.
„Zwölf-Vierunddreißig“, so spricht sich der Stoff in Expertenkreisen, wurde von den Chemiekonzernen Honeywell und DuPont entwickelt. Der VDA preist die „überzeugenden“ Vorteile der Chemikalie. So unterschreite der Klimafaktor von R-1234yf die neuen EU-Vorgaben um ein Vielfaches. Vor allem bei höheren Temperaturen würden Klimaanlagen effizienter arbeiten und im Vergleich zum Kühlmittel Kohlendioxid einen geringeren Mehrverbrauch verursachen. Und: Für R-1234yf bräuchte die Industrie keine neuen Klimaanlagen zu entwickeln. Beim Kältemittel Kohlendioxid, für das in den Anlagen höhere Drücke erforderlich sind, gilt das nicht.
Der Hersteller selbst schätzt sein Kältemittel Zwölf-Vierunddreißig als hochentzündlich ein
Doch das angebliche Wunderkühlmittel R-1234yf ist keins, sagen Kritiker. Zwei Versuche der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ergaben, dass die Chemikalie bei Autounfällen möglicherweise tödliche Risiken für Insassen und Rettungskräfte haben könnte. R-1234yf brennt – etwa, wenn bei einem Unfall der Kühlschlauch platzt und die Chemikalie auf den heißen Abgaskrümmer tropft, warnt die Organisation. Im Brandfall entsteht zudem Fluorwasserstoff, der bei Kontakt mit Wasser zur hochgiftigen und stark ätzenden Flusssäure (HF) wird. Die DUH verweist auf das Sicherheitsdatenblatt der Chemikalie. Darin stuft der Hersteller Honeywell R-1234yf als hochentzündlich ein – eigentlich ein K.o-Argument für ein Kältemittel im Pkw.
Der VDA hält das für übertrieben. Es sei zwar unstrittig, dass das Kältemittel brennbar sei. Doch Studien in Europa, Asien und Nordamerika wären zu dem Fazit gekommen, dass der Einsatz von R-1234yf in Pkw-Klimaanlagen unbedenklich sei. Der Betrieb sei sicher, die kritischen Fragen geklärt. Der VDA kommt zu dem Schluss: Die Wahrscheinlichkeit, im Lotto einen Sechser mit Superzahl zu gewinnen, sei etwa einhundert Mal größer als bei einem Unfall mit Flusssäure in Kontakt zu kommen.
„Wir raten der Autoindustrie von diesem Kältemittel ab“
„Nachweislich falsch“ nennt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch die Darstellung des VDA. Durch Weglassen, Halb- und Unwahrheiten versuche der Verband, einen lebensgefährlichen Chemiecocktail als Kühlmittel nachträglich zu rechtfertigen.
Das Umweltbundesamt und Fachinstitute teilen die wesentlichen Bedenken der DUH. Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) wird in den kommenden Wochen ihren Untersuchungsbericht veröffentlichen. Das Umweltbundesamt sieht ersten Ergebnissen zufolge dringenden Handlungsbedarf: „Schon geringe Mengen dieses Stoffes reichen aus, um mit ebenfalls geringen Konzentrationen von Kohlenwasserstoffen explosionsfähige Gemische in der Luft zu bilden“, sagte UBA-Chef Jochen Flasbarth. In Kreisen des Amtes heißt es, dass neue Untersuchungen dieses Urteil untermauern würden. „Wir raten der Autoindustrie von diesem Kältemittel ab“, sagte ein UBA-Sprecher der WAZ.