Dortmund. Bei der größten Gründer-Konferenz im Ruhrgebiet wird deutlich, wie wichtig Startups für die Zukunft der gesamten Wirtschaft sind.

Wer an Startups denkt, dem fallen sofort die gängigen Klischees ein: Junge Menschen, die in hippen Industrielofts an neuen, schrägen Geschäftsideen tüfteln. An dem Bild ist was dran. Aber es steckt mehr dahinter, sehr viel mehr. Worum es geht, das hat der der zweite RuhrSummit klar gemacht: 1500 regionale und internationale Investoren, Firmengründer, Business-Berater und Konzernvertreter haben sich im Dortmunder U getroffen, um Erfahrungen und Ideen auszutauschen, um Geschäfte anzustoßen - um die Weichen für Wirtschaftsmodelle der Zukunft zu stellen. Denn am Ende geht das Thema nämlich jeden an: Alteingesessene Familienbetriebe, Großkonzerne – und auch die Arbeitnehmer. Dazu später mehr.

RuhrSummit - von der Idee zum erfolgreichen Event

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Der RuhrSummit ist die größte Startup-Konferenz im Ruhrgebiet und hat sich auf die Fahnen geschrieben, den Gründergeist in der Region zu fördern und voranzutreiben. Ins Leben gerufen wurde sie von zwei Szene-Aktivisten: Oliver Weimann, Gründer und Geschäftsführer der 360 Online Performance Group sowie Carmen Radeck, Betreiberin der Onlineplattform RuhrGründer.de. Der Plan: Mit einem großen Event die Netzwerke aller Beteiligten der Region zu verknüpfen.

Beim Initiativkreis Ruhr stießen die Initiatoren sofort auf offene Ohren und fanden tatkräftige Unterstützer. Der Auftakt im Juli 2016 in der Essener Zeche Carl mit mehr als 650 Teilnehmern und hochkarätigen Referenten war ein Erfolg. In diesem Jahr hat sich die Teilnehmerzahl fast mehr als verdoppelt und diesmal ist nicht nur die deutsche Gründerszene vertreten, sondern es sind Startups aus mehr als 30 Nationen zu Gast. Denn die Digitalisierung krempelt die globale Wirtschaft komplett um.

Die nächste industrielle Revolution

Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Andreas Pinkwart (FDP) in Essen in den Räumen des Ruhr-HUB.
Der Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Andreas Pinkwart (FDP) in Essen in den Räumen des Ruhr-HUB. © Volker Hartmann/FUNKE Foto Services

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) verglich in seiner Rede auf dem RuhrSummit die Digitalisierung mit der industriellen Revolution im 18./19. Jahrhundert, die die Ökonomien und die Gesellschaften dieser Zeit grundlegend veränderte. In dieser Zeit erwuchs auch das Ruhrgebiet, das zwei Jahrhunderte lang von dieser Revolution profitierte bis das Zechensterben begann.

Aufgrund seiner heutigen Infrastruktur mit etlichen Fachhochschulen und Universitäten, 290.000 Studenten, Logistikzentren, Verkehrswegen und einem Markt mit 5,5 Millionen Einwohnern könne das Ruhrgebiet allerdings wieder ganz vorne mitspielen bei der neuerlichen industriellen Revolution, der sogenannten Industrie 4.0, so Pinkwart. Will die Region eine Zukunft haben, ist das auch dringend notwendig.

Die Entwicklungen verlaufen extrem sprunghaft

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Thomas Burges machte in seinem Vortrag zum Thema globale Megatrends die Dimension des Wandels sowie dessen Chancen und Gefahren deutlich. Burges, Leiter und Advisory-Partner von Ernst & Young Strategy und Customer in Deutschland, Österreich und der Schweiz, betonte, dass auch sehr erfolgreiche Firmen heute nicht sicher sein können, dass ihr Geschäft auch in fünf Jahren noch erfolgreich sein wird. Denn die Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sei disruptiv – also extrem sprunghaft.

Einige Beispiele: Immer mehr junge Menschen weltweit wollen kein Auto mehr kaufen – sondern smarte Mobilität. Hinzu kommen die Themen autonomes Fahren und E-Antrieb. Schafft es die etablierte Automobilbranche nicht, sich auf die veränderten Kundenwünsche einzustellen, wird ihr Geschäft schnell erodieren. Ein zweites: Künftig werden in der Fertigung immer mehr Roboter eingesetzt. Die komplett menschenlose Fabrik wird Länder in tiefe Krisen stürzen, weil Millionen Jobs entfallen.

Kurz: Die konservative Industrie mit ihren eher vorsichtig angelegten Entwicklungszyklen und hierarchischen Entscheidungsebenen ist mittelfristig im Niedergang, weil sie mit den sprunghaften Veränderungen nicht Schritt halten kann. Für Burges lautet die Forderung daher: Im Prinzip braucht jeder Betrieb, jeder Konzern jenseits des bestehenden Geschäftskerns Start-Up-Modelle, die sich der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle widmet.

Tüfteln in der ThyssenKrupp-Garage

Bei ThyssenKrupp ist Technologiechef Reinhold Achatz für diesen Part zuständig. Achatz stellte beim RuhrSummit vor, wie der ehemalige Stahlkonzern diese Erkenntnisse nutzt, um sich für die Zukunft aufzustellen: Der Konzern setzt auf mehrere Wege, um Prozesse zu beschleunigen: Es gibt ein Zentrum für schnelle Entwicklungen, das auf das Prinzip „Machen!“ setzt, um innerhalb von sechs Monaten Produkte oder Ideen umzusetzen und daraus Erkenntnisse zu entwickeln. Es gibt ein Inkubator- und Tech-Zentrum, das größere Projekte innerhalb von drei Jahren zur Marktreife bringt. Und es gibt eine ThyssenKrupp-„Garage“, in der ein Team fern der Konzernstrukturen an neuen Ideen und Geschäftsmodellen tüftelt.

ThyssenKrupp geht als Ergebnis dieser Strategie an vielen Stellen neue Wege: Zum Beispiel werden Daten von Hochleistungs-Aufzügen heute so strukturiert gesammelt und aufbereitet (Stichwort Big Data), dass der Kunde bereits frühzeitig über anstehende, mögliche Defekte informiert werden kann. Dadurch werden Ausfälle und Wartungszeiten verkürzt. Augmented Reality, etwa über eine Datenbrille, wird zur Kundenbetreuung eingesetzt.

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Diese Beispiele machen deutlich, dass der Begriff Startup mittlerweile sehr viel mehr beschreibt, als die Entwicklung einer neuen Pizza-Bestell-App, sondern dass es darum geht, die Wirtschaft zukunftsfähig zu machen – aber auch, um gesellschaftliche Probleme zu lösen, wie die internationalen Gründer berichteten: Startup-Unternehmen kümmern sich um clevere Bezahlsysteme in Ländern ohne funktionierendes Bankensystem, um dezentrale Energieversorgung in Staaten ohne Infrastruktur, um Datenbanken zur Unterstützung von Menschen mit Handicap.

Die Liste der guten Ideen ist schier endlos. Und der RuhrSummit hat sich als die wichtigste regionale Plattform etabliert, auf der diese guten Ideen zusammenfließen und Neues entsteht. Und ja manchmal beginnt das alles auch nur mit ein paar jungen Menschen, die in einem hippen Industrieloft an einer schrägen Idee tüfteln.