Essen. . Industrie 4.0: Die digitale Vernetzung von Fabriken ist das zentrale Thema der Hannover-Messe. Auch Thyssen-Krupp rechnet mit großen Veränderungen.

„Industrie 4.0“ gilt als Zauberwort bei Maschinen- und Anlagenbauern, Autokonzernen, Stahl- und Technologieherstellern oder in der Pharma- und Chemiebranche. Doch der Begriff, der für die vierte industrielle Revolution nach Dampfmaschine, Massenproduktion und Automation stehen soll, ist auch umstritten. Für manchen sei Industrie 4.0 „nicht mehr als ein Modewort“, sagt Thyssen-Krupp-Technologiechef Reinhold Achatz und stellt klar: „Wir bei Thyssen-Krupp sind überzeugt, dass Industrie 4.0 einen ähnlichen Siegeszug antreten wird wie das Internet.“

Auf der Hannover-Messe, die am Montag beginnt, ist Industrie 4.0 das zentrale Thema. Im Unternehmensalltag wachsen die reale und die virtuelle Welt immer weiter zusammen. Die digitale Vernetzung von Fabriken und Maschinen, von Kunden, Lieferanten und Produzenten sei eine fundamentale Veränderung, sagt Thyssen-Krupp-Manager Achatz.

Auch die Stahlindustrie ist mittlerweile High-Tech

Als Beispiel nennt der Essener Stahl- und Industriekonzern sein Warmwalzwerk Hoesch Hohenlimburg in Hagen, das weit über die eigenen Firmengrenzen hinaus digital vernetzt sei – etwa mit dem Lieferanten Hüttenwerke Krupp Mannesmann (HKM) in Duisburg. Dort werden die Stahlblöcke für Hagen hergestellt. Was, wie und wann in den Werken von HKM oder Hoesch produziert werden soll, können die Kunden von Thyssen-Krupp durch entsprechende Netzwerke auch kurzfristig selbst bestimmen.

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Auch die zuweilen antiquiert anmutende Stahlindustrie sei High-Tech, betont Salzgitter-Chef Heinz Jörg Fuhrmann. „Für jedes Band, das wir walzen, werden tausende Daten benötigt.“ Auch andere Industriezweige erleben eine schleichende Revolution. Zunehmend durchdringt die Informationstechnik viele Bereiche der Unternehmen. Ein zentrales Stichwort lautet „vernetzte Produktion“. Funk-Etiketten können die Lagerhaltung verbessern, intelligente Roboter Produktionsabläufe organisieren, Fehler erkennen oder zum Energiesparen beitragen. „Durch die Digitalisierung von Produktionsprozessen zeichnen sich Entwicklungen ab, die für die chemisch-pharmazeutische Industrie enorme Chancen eröffnen“, heißt es auch beim Essener Chemiekonzern Evonik. Im Unternehmen gebe es längst entsprechende Beispiele – etwa moderne Prozessleitsysteme am Standort Marl.

Konkurrenz von Apple und Google

Industrie 4.0 gilt als Schlüsselthema für Deutschlands Wirtschaft. „Unser Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt liegt mit fast 23 Prozent auf hohem Niveau. In den USA sind es zum Beispiel nur etwa 13 Prozent“, sagt Ulrich Grillo, Duisburger Unternehmer und BDI-Präsident. „Und wir können auch IT.“ Deutschland habe zwar keine Internetriesen wie im Silicon Valley, profitiere aber insbesondere von Innovationen aus dem Mittelstand.

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Zugleich gibt es Befürchtungen, Deutschland könnte von den USA abgehängt werden, wenn es um die Digitalisierung der Industrie geht. „Die USA entwickeln bei Industrie 4.0 deutlich mehr Geschwindigkeit als Europa“, mahnt Franz Gruber, Chef der IT-Technologie- und Beratungsfirma Forcam. „Und das, obwohl unsere Unternehmen in vielen Branchen führend sind in der Fertigungstechnik.“

Insbesondere in der Autoindustrie wird die Konkurrenz aus den USA aufmerksam beäugt. Der Suchmaschinen-Gigant Google stellte unlängst ein eigenes selbstfahrendes Auto vor. Auch Gerüchte um ein „iCar“ von Apple machten schon die Runde. „Das Auto wird neu definiert“, sagt Auto-Professor Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Das selbstfahrende Auto werde aber schon seit Jahren vor allem im Silicon Valley erforscht, in der Heimat von Google und Apple.