Rostock. Bei einem Russlandtag in Rostock bezeichnete sich Altkanzler Gerhard Schröder selbst als “Russland-Versteher“ und rief zum Dialog mit Wladimir Putin auf. Vor allem die Energiepartnerschaft solle ausgebaut werden. Die Situation in der Ukraine, die zu der Konfrontation geführt hat, streifte er kaum.

Diese Männer-Freundschaft scheint jede Krise zu überstehen. Ungeachtet der anhaltenden Kritik an Russlands Rolle im kriegerischen Ukraine-Konflikt wirbt Altbundeskanzler Gerhard Schröder dafür, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin im Gespräch zu bleiben. Auf dem umstrittenen Russland-Tag Mecklenburg- Vorpommerns, einem Wirtschaftstreffen mit mehr als 400 Teilnehmern, bemühte Schröder sogar die Geschichte, um indirekt das Handeln seines Freundes zu erklären: "Seit Napoleons Russlandfeldzug fühlt sich Russland vom geografischen Westen bedroht."

Der Europäischen Union schreibt Schröder eine Mitverantwortung für die Eskalation des Ukraine-Konflikts zu, weil sie Russland ausgrenze, statt einzubeziehen. Es sei notwendig gewesen, nicht nur mit der Ukraine, sondern auch mit Russland über ein Assoziierungsabkommen zu verhandeln. "Wir brauchen eine solche Assoziierung von Russland und der EU, um Frieden, Stabilität und Wohlstand auf dem ganzen Kontinent zu sichern, um alle völkerrechtlich umstrittenen Probleme und Konflikte zu lösen - kooperativ statt konfrontativ", argumentierte Schröder. Er ließ dabei unerwähnt, dass die völkerrechtswidrige Annexion der Krim und die anschließende Rolle Moskaus im Konflikt in der Ostukraine zu den politischen und wirtschaftlichen Sanktionen geführt hatten.

"Ich schäme mich nicht, ich bin stolz darauf"

Schröder sieht sich weiter in der Rolle des "Russland-Verstehers". Diese Bezeichnung sei zwar zu einem Kampfbegriff geworden, mit dem jene diskreditiert werden sollten, die eine differenzierte Debatte führen wollten. Doch das schrecke ihn nicht. "Ich stehe dazu, dass ich Russland, seine Menschen und seine politische Führung verstehen will. Ich schäme mich dafür nicht, im Gegenteil: ich bin stolz darauf", betonte der Altkanzler und erntete viel Beifall.

Die engen Kontakte zum russischen Präsidenten und das Engagement des früheren Kanzlers für die Gazprom-Tochter Nord Stream waren immer wieder Grund für Kritik. Zuletzt hatte im Frühjahr eine Geburtstagsfeier Schröders in St. Petersburg, auf der Putin als Überraschungsgast auftauchte, für Schlagzeilen gesorgt. Mit dabei war seinerzeit auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellerig (SPD), der in der Newa-Metropole für das Treffen deutscher und russischer Unternehmer in Rostock geworben und ungeachtet massiver Widerstände am Russland-Tag festgehalten hatte.

Keine Aufhebung der Sanktionen

Mehrfach mahnte der Altkanzler die Notwendigkeit zum Dialog mit Russland an, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Die Sanktionen schadeten beiden Seiten. Es gelte daher "aus einer Spirale der gegenseitigen Vorwürfe, Drohungen und Sanktionen herauszufinden". Für Kanzlerin Angela Merkel kommt derzeit eine Aufhebung von Sanktionen gegen Russland allerdings nicht in Betracht.

Einig scheint sich Schröder mit seiner Nachfolgerin aber in der Bewertung der Energiepartnerschaft mit Russland. "Wir sind gut beraten, diese Energie- und Rohstoffpartnerschaft weiter auszubauen", sagte er. Von den beiderseits verhängten Handelsbeschränkungen waren Öl- und Gaslieferungen ausdrücklich ausgenommen worden. (dpa)