Frankfurt. In Deutschland verharrt die Teuerungsrate auf einem niedrigen Niveau. In Europa fallen in manchen Ländern sogar die Preise. Wirtschaftsexperten fürchten eine Deflation, die mittelfristig Arbeitsplätze gefährden könnte.

Die Preise steigen kaum noch. Die Inflation in Deutschland verharrt auf dem niedrigsten Stand seit mehr als vier Jahren. Im August lagen die Verbraucherpreise – wie bereits im Juli – um 0,8 Prozent höher als ein Jahr zuvor. In der Eurozone ist die Entwicklung noch bemerkenswerter. Die Teuerungsrate fiel im August auf 0,3 Prozent. Dies ist der niedrigste Wert seit Oktober 2009. Damals waren die Preise im Zuge der globalen Finanzkrise sogar gefallen. Die Sorge vor einer Deflation wächst.

Was heißt Deflation?

Wenn die Preise für Waren und Dienstleistungen allgemein, spürbar und über einen längeren Zeitraum zurückgehen, spricht man von Deflation. Das Angebot an Gütern und Dienstleistungen ist deutlich größer als die Nachfrage. Das drückt die Preise.

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Warum ist Deflation gefährlich?

Werden Waren und Dienstleistungen permanent billiger, verschieben Verbraucher Käufe, weil sie glauben, dass es noch günstiger wird. Auch Firmen schieben Investitionen auf. Beides belastet die Wirtschaft, weil es den Betrieben schwer fällt, Produkte zu verkaufen. Dies wiederum – so die Theorie – führt zu Kurzarbeit, Lohnsenkung und höherer Arbeitslosigkeit, was Konsum und Investitionen weiter bremst. Es droht eine gefährliche Deflationsspirale.

In der Eurozone liegt die Inflationsrate nahe der Nullgrenze. Gab es schon Minusraten?

In Griechenland lag die Rate im Mai bei minus 2,1 Prozent, bis Juli hat sie sich auf minus 0,8 Prozent verbessert. In Portugal gehen die Preise seit Monaten leicht zurück. In Spanien lag die Rate im März bei minus 0,2 – in Italien im Juli bei minus 0,1 Prozent.

Machen sich Experten Sorgen?

„Ich befürchte, vor Europa liegt eine längere Phase aus Stagnation, Deflation und hoher Arbeitslosigkeit“, sagt der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Skeptisch zeigt sich auch der Direktor der Brüsseler Denkfabrik Bruegel, Guntram Wolff: „Die europäische Konjunktur ist unglaublich schwach.“ Beide Ökonomen sprechen sich für weitere Schritte der Europäischen Zentralbank (EZB) aus, um die Wirtschaft in der Währungsunion zu stützen.

Was sagt die EZB?

Für sie ist der niedrige Preisauftrieb insbesondere auf die Verbilligung von Energie und Nahrungsmitteln zurückzuführen. „Wir haben keine Deflation im Sinne von Preisen, die auf breiter Basis sinken, so dass Haushalte und Unternehmen ihre Ausgaben verschieben, weil sie niedrigere Preise erwarten“, betont EZB-Präsident Mario Draghi. Benzin war in Deutschland im Juli gut drei Prozent billiger als ein Jahr zuvor, Heizöl sechs, Gurken und Paprika jeweils rund 17 und Kartoffeln sogar 32 Prozent.

Wie sieht es in den europäischen Krisenländern aus?

In den Krisenländern droht sich das Gefühl zu verfestigen, dass die Inflationsrate lange sehr niedrig bleibt. Das bremst die Konjunktur. Die EZB erwägt weitere Sonderkredite, um die Banken dazu zu bringen, in Portugal, Griechenland und Spanien wieder mehr Kredite zu gewähren, was die Wirtschaft ankurbeln soll. Volkswirte glauben, dass die Inflationsrate in der Eurozone erst im Jahr 2019 wieder auf zwei Prozent steigt.

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Bestehen in Deutschland Deflationsgefahren?

Fernseher, Computer, Digitalkameras oder Waschmaschinen werden bei immer höherer Leistung immer günstiger. Im Durchschnitt sind diese Produkte, so das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), zwischen 1994 und 2013 um 18 Prozent billiger geworden. Trotzdem ist die Nachfrage nicht gesunken. Es gibt, so das IfW, „kaum Evidenz für die konsumhemmende Wirkung sinkender Preise“. Die Inflationsrate in Deutschland, so die Dekabank, werde im Jahr 2015 auf 1,5 Prozent steigen.

Was bedeutet die niedrige Inflation oder sogar Deflation für Anleger und Sparer?

Sie dämpft den negativen Effekt niedriger Zinsen. Beispiel: Bei einer Deflation von 1,5 Prozent und einem Zins von einem Prozent für das Tagesgeldkonto bleiben real sogar 2,5 Prozent übrig. Aktionäre zählen tendenziell zu den Deflationsverlierern, weil die Firmen wenig verdienen und gar rote Zahlen schreiben, was den Aktienkurs drückt. Auch Immobilien werden von Deflation und sinkenden Nachfrage getroffen. Wer auf Pump gekauft hat, ringt mit einem weiteren Problem: Real nimmt die Schuldenlast zu.