Mailand. Ob er das gern macht, wird er nur selber wissen. Nur freiwillig ist es halt nicht: Italiens früherer Ministerpräsident und verurteilter Steuerhinterzieher Silvio Berlusconi hat am Freitag seinen Sozialdienst unter Alzheimer-Kranken gestartet. Der Rechts-Politiker wirkt angeschlagen.

In einer schwarzen Limousine fuhr der neue Betreuer am katholischen Seniorenzentrum bei Mailand vor. Für die Medien aus aller Welt, die vor dem Sacra-Famiglia-Heim mit ihren TV-Kameras diesen Moment unbedingt festhalten wollten, fand der sonst so leutselige Silvio Berlusconi kein Wort. Seinen Schlips hatte er in seiner nicht weit entfernten Villa Arcore gelassen. Leger gekleidet wollte der Milliardär und Medienzar seine Buße antreten - ganz ohne die italienische Öffentlichkeit, die er ansonsten in diesen heißen Wochen vor den EU-Wahlen nicht scheut. Unfreiwillig ist er nun hier, bei Alzheimer-Kranken, und macht doch die Arbeit eines Freiwilligen.

Das von der Justiz ausgesuchte Zentrum, etwa 40 Kilometer von der lombardischen Metropole Mailand entfernt, will seinen prominenten Helfer vorsichtig einsetzen. Denn Alzheimer-Kranke zu betreuen, ist eine nicht einfache Aufgabe. "Wir gehen immer in kleinsten Schritten vor, Berlusconi wird erst einmal mit den Abläufen vertraut gemacht, immer begleitet von weiblichem Personal", hatte das Zentrum erklärt.

Seine Kollegen dürfen eines auf keinen Fall: fotografieren

Er lernt die Ärzte kennen, die Pfleger, die Krankenschwestern und schließlich auch die 20 Alzheimer-Patienten, um die er sich kümmern soll. Klar, alle wissen, dass sie ihn keineswegs ablichten dürfen - die Medien würden ihnen Bilder Berlusconis, wie er Kranken beim Essen hilft und sie säubert, mit Kusshand aus den Händen reißen. Bei ihnen könne Berlusconi ein Stück Demut lernen, hatte die Zentrumsleitung durch die Blume erklärt. Sein Wunsch nach einem eigenen Zimmer mit Bad dort ist abgelehnt worden, heißt es. Dabei hat sich Berlusconi doch bereits engagiert gezeigt, wollte eine "große Überraschung" in dieses Zentrum in Cesano Boscone mitbringen. Vielleicht Details zu neuen Alzheimer-Therapien?

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Einfühlsamkeit bei alten Kranken ist also gefragt, Umsicht, und das ausgerechnet bei dem mehrfach gelifteten und auf jünger getrimmten 77-Jährigen. Seine berüchtigten Witze, oftmals unter der Gürtellinie, soll der ehemalige Regierungschef während seiner Stunden mit den Alzheimer-Kranken lassen. Singen soll er, der einst als Entertainer auf Kreuzfahrtschiffen Geld verdient hat, auch nicht. In eine Bar oder ein Theater dürfte er sie wohl - zumindest zunächst - auch nicht begleiten. Aber Berlusconi ist gut darin, persönliche Bande zu knüpfen. Sicherlich kann er das auch, wenn keine Kameras dabei sind.

Seine Partei steckt in der Krise, und er kann nicht helfen

Nach Kalauern und Singen ist dem stark angeschlagenen Berlusconi aber sowieso nicht zumute. Er ist rechtskräftig verurteilt, darum ja der Sozialdienst als Buße. Aus dem Senat haben sie ihn geworfen, und er darf keine öffentlichen Ämter mehr übernehmen. Seine konservative Partei Forza Italia, deren autoritäre Leitfigur er seit nunmehr zwei Jahrzehnten ist, steckt tief im Schlamassel. Hilflos muss Berlusconi mit ansehen, wie die Seinen vor den EU-Wahlen am 25. Mai nach allen Umfragen recht weit hinter den beiden führenden Parteien herhinken - er darf nicht der Spitzenkandidat sein. Wieder einmal sorgt nur eine Debatte darüber für etwas Schwung, die Tochter und Top-Managerin Marina Berlusconi als neue, jüngere Frontfrau der Partei aufzubauen.

Das ist noch nicht alles, was den Humor des Mannes in den Keller treibt, der auch seinen Ehrentitel "Cavaliere" abgegeben hat. In kurzer Zeit gerieten mehrere seiner engsten Vertrauten aus stolzer Regierungszeit in die Fänge der Justiz, darunter Marcello Dell'Utri und zuletzt der festgenommene frühere Minister Claudio Scajola. Immer geht es dabei auch um Mafia-Nähe.

Auch Berlusconis Sex-Prozess geht demnächst weiter

Auch Berlusconi selbst ist mit dem endlosen Reigen seiner Prozesse längst noch nicht am Ende. Demnächst startet in Mailand der "Ruby"-Berufungsprozess, in dem es um Sex mit minderjährigen Prostituierten und um Amtsmissbrauch geht. In erster Instanz wurde Berlusconi verurteilt. Und mehr Prozesse erwarten ihn.

Jetzt aber soll er zunächst lernen, Kranken mit Fingerspitzengefühl zu helfen. Und wenn er sich daneben benimmt, das weiß er, droht der strengere Hausarrest. "Die Lust am Singen ist mir bereits vergangen, nach allem, was mir in einem Jahr widerfahren ist", klagte der Mann in einem Interview, der einst gern auf allen Hochzeiten tanzte. (dpa)