Rom. . Marcello Dell’Utri droht Haft wegen Mafia-Kontakts. Der Sizilianer ist engster Mitarbeiter Berlusconis seit dessen Zeiten als Mailänder Bau- und Fernsehlöwe. Ihm wird vorgeworfen, Verbindungsmann für die sizilianische Cosa Nostra am „Hofe“ Berlusconis gewesen zu sein.

Während Silvio Berlusconi auf seinen letzten Richterspruch – Hausarrest oder soziale Tätigkeit – noch ein paar Tage warten muss, haben die libanesischen Behörden einen seiner langgedientesten und engsten Weggefährten in Haft genommen. Marcello Dell’Utri, 72, war Mitte März klammheimlich aus Italien verschwunden, “zu medizinischer Behandlung”, wie er heute sagt; in Wahrheit aber – wie die Justiz befindet –, um sich einer definitiven Verurteilung wegen Mafia-Tätigkeit zu entziehen.

Die Sitzung des Kassationsgerichts ist seit langem für Dienstag dieser Woche anberaumt. In den beiden vorhergehenden Instanzen war Dell’Utri zu neun beziehungsweise sieben Jahren Haft verurteilt worden. Italiens Justizminister will nun “sofort” einen Auslieferungsantrag an den Libanon stellen.

Verbindungsmann für die Cosa Nostra am Hofe Berlusconis

Der Sizilianer Dell’Utri ist engster Mitarbeiter Berlusconis seit dessen Zeiten als Mailänder Bau- und Fernsehlöwe. Aus Berlusconis Werbeunternehmen Publitalia, dessen Chef Dell’Utri war, stampfte er 1994 die Partei „Forza Italia“ aus dem Boden, mit der Berlusconi seinerzeit in die Politik einstieg. Selber blieb Dell’Utri zuerst im Hintergrund – bis 1996 der erste Prozess wegen seiner Mafia-Verstrickungen begann. Damals ließ er sich ins italienische Parlament wählen, um eine Verhaftung zu vermeiden. „Aktive Politik interessiert mich nicht; Abgeordneter werde ich nur aus legitimer Notwehr“, sagte er.

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Dann blieb Dell’Utri zeit seines Prozesses im Parlament, bis zu den Wahlen 2013. Da hatte er schon seine Verurteilungen eingefahren; keine von ihnen ist aber bisher rechtskräftig. Die Richter der Erst- und Appellationsinstanzen befanden Dell’Utri für schuldig, der Verbindungsmann für die sizilianische Cosa Nostra am Hofe Berlusconis gewesen zu sein; der Werbe-Manager habe mit der Mafia Verträge zum Schutz des Großunternehmers ausgehandelt, zu diesem Zweck – in halbjährlichen Tranchen – hohe Millionenbeträge an den „Schlächter von Corleone“, den Boss Totò Riina, geschickt und damit „die Macht der Mafia gestärkt und gefestigt“. Dies, so die Richter, lief bis 1992; für die Zeit danach ist Dell’Utri bereits definitiv freigesprochen.

Er gilt als Schöngeist

Privat gefiel sich Dell’Utri immer als Schöngeist, als Literat, vor allem aber als Liebhaber antiker Bücher; für sie hatte er sogar die national bedeutendste Verkaufsmesse in Mailand eingerichtet. Aber auch in diesem Bereich ist seine Rolle zunehmend dubios geworden: Dell’Utri schaffte es durch seine Freundschaft mit dem damaligen Regierungschef Silvio Berlusconi, einen Vertrauten an die Spitze der historisch hoch bedeutsamen Girolamini-Bibliothek in Neapel zu setzen. Dieser, Marino Massimo De Caro, plünderte diese und andere Büchereien danach systematisch aus; die antiken Drucke und Handschriften landeten – zum finanziellen Wohle De Caros und Dell’Utris – auf diversen Versteigerungen, nicht zuletzt in Deutschland.

Zum Teil flossen die gewaltigen Erlöse in eines der aufsehenerregendsten Fälschungsprojekte der Buchgeschichte: Nachgemacht wurde ein wissenschaftliches Grundlagenwerk des Galileo Galilei, der „Sidereus Nuncius“, mit spektakulären, aber nur angeblichen Originalzeichnungen des Meisters. Opfer dieser Fälschungen wurden zum einen italienische Bibliotheken, wo Imitate an die Stelle der gestohlenen Originale gestellt wurden, zum anderen der deutsche Kunsthistoriker Horst Bredekamp, der sich im jahrelangen Expertenstreit für die Echtheit der Fälschung ausgesprochen hatte.