Essen. Vom Arbeitsamt auf die große Weltbühne – diesen Weg legte das britische Synthie-Popduo Hurts mit dem Hit „Wonderful Life“ quasi über Nacht zurück. Jetzt erschien ihr zweites Album „Exile“. Im Interview erzählen die Beiden von gelebter Wildheit und dem Gefühl, immer noch Loser zu sein.
Mit gut gescheitelten Haaren und schwarzen Anzügen sind Sänger Theo Hutchcraft und Keyboarder Adam Anderson immer noch unterwegs – nur ihr Sound hat sich ein wenig verändert. Anlässlich des neuen Albums "Exile" sprachen die Briten mit Katja Schwemmers.
Mr. Hutchcraft, hilft es eigentlich, Lieder mit gebrochenem Herzen zu schreiben?
Theo Hutchcraft: Ich glaube schon. Es hilft, etwas haben zu wollen oder auf der Suche nach etwas zu sein. Sich am Rande der Verzweifelung zu befinden, ist auch förderlich. Wir schreiben jedenfalls immer die besten Lieder, wenn wir uns so fühlen.
Wie viele Songs haben Sie also im vergangenen Jahr nach Ihrer Trennung von Burlesque-Star Dita von Teese geschrieben?
Adam Anderson: Haha, so um die 63 würde ich mal schätzen?
Hutchcraft: Ach, ich bin immer in einer elenden Stimmung, dafür brauche ich keine Dita! Wenn es um Frauen geht, gibt es immer eine, der ich hinterherjage oder eine, die mich hängen lies. Immer! Aber das macht den Spaß doch erst aus.
Also war die Trennung nicht herzzerreißend für Sie?
Hutchcraft: Nein, nicht so herzzerreißend. Dita und ich sind immer noch gute Freunde. Sie ist eine coole Frau!
Anderson: Bitch! (Gelächter)
Und während Ihr Kumpel die Models abgeschleppt hat, waren Sie enthaltsam, Mr. Anderson?
Anderson: Das denken viele Leute! Ich bin nur ein wenig klüger als der Kollege: Ich erledige meine beste Arbeit in aller Stille.
Ziehen Sie verschiedene Typen von Frauen an?
Anderson: Es ist eher so, dass wir verschiedene Typen von Frauen mögen! Seitdem wir uns kennen, ist es noch nie vorgekommen, dass wir beide auf dasselbe Mädel standen. Unsere Geschmäcker sind gänzlich unterschiedlich.
Hurts in Westfalenhalle
Hutchcraft: Da haben wir wirklich Glück gehabt.
Was ist denn Ihr Typ Frau?
Hutchcraft: Ich mag Mädchen, die wie Katzen aussehen, die sich wie Katzen geben. Frauen mit dunklen Haaren, mit Tattoos. Dann ist die Welt für mich in Ordnung. Ich bin da nicht so pingelig.
Anderson: Für mich ist es eher der Typ Mädchen von nebenan. Ich muss gut mit ihr quatschen können. Du kannst ihr schlechte Witze erzählen, und sie lacht. Ich mag es nicht besonders, von einer Frau bewundert zu werden.
Bewundert wurden die Hurts die letzten drei Jahre ja auch genug. Von wem haben Sie Komplimente am meisten überrascht?
Hutchcraft: Für mich ist es immer eine Überraschung, wenn ein anderer Künstler, den wir toll finden, sich als Fan outet. Etwas in mir glaubt diesen Menschen nie und will dann fragen: „Wirklich? Aber warum zum Teufel magst du uns denn, du bist doch so ein cooler Typ?“
Anderson: Besonders bei Noel Gallagher fühlte es sich merkwürdig an. Wir stehen schließlich für emotionalen Pop! Aber wer weiß, vielleicht mag er uns nur, weil seine Frau uns mag. Wem unsere Musik aber auch sehr gut gefällt, ist Boris Becker. Als ich ihn bei der Echo-Verleihung traf, war das für mich wie Prince oder Michael Jackson zu treffen - solch ein Superstar ist er für mich! Die meisten meiner Helden sind Sportler.
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Hutchcraft: Herrlich war aber auch, als wir nach unserem Echo-Auftritt zurück in unsere Garderobe kamen. Robbie Williams saß einfach so da. Er hatte auf uns gewartet, um uns seinen Echo zu schenken, denn wir waren neben Take That in der Kategorie „beste internationale Band“ nominiert. Er fand, wir würden den Preis mehr verdienen. Nun habe ich also Robbie Williams Echo-Award zu Hause. Es gibt auch ein Foto davon, wie Robbie mit uns die Hurts-Pose macht.
Wie geht die Hurts-Pose?
Anderson: Man faltet die Hände vor dem Körper zusammen, guckt ernst und steht ansonsten stocksteif da!
Wie schnell kann man sich an den Lifestyle gewöhnen, in den besten Hotels abzusteigen und ständig Prominente zu treffen? Immerhin waren Sie vor drei Jahren noch arbeitslos.
Hutchcraft: Das geht sehr schnell, weil es generell eine sehr seltsame Erfahrung ist, all das zu erleben. Es ist jedenfalls nie nicht seltsam für uns, weil es nichts mit dem normalen Leben zu tun hat. Wir können den Erfolg aber trotzdem genießen und haben keine Party ausgelassen. Es ist ein Glück für uns, dass wir einander haben und auf uns gegenseitig aufpassen können. Als Solo-Künstler wären wir vermutlich durchgedreht.
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Anderson: Es fühlt sich an, als wäre der Durchbruch Ewigkeiten her. Aber wir sind immer noch Verlierer im Herzen! Selbst als wir das neue Album geschrieben haben, war das Gefühl, die Verlierer vom Dienst zu sein, wieder da. Es ist uns stets präsent, was alles schief gehen kann.
Ist Ihre neue Platte deshalb düsterer ausgefallen als Ihr Debüt?
Hutchcraft: Es ist definitiv ein Spiegel unserer Leben in den letzten Jahren. Jeden Tag gab es großes Theater! Deshalb fühlt sich diese Platte lebendiger, wilder, extremer und aufregender an. Das hat auch damit zu tun hat, dass wir viel rumgereist sind und Abgründe gesehen haben.
Anderson: Es wäre nicht authentisch gewesen, dasselbe Album noch einmal zu machen. Wir sind nicht mehr arbeitslos, aber das heißt nicht, dass wir jeden Tag happy sind. Wir haben immer noch unsere Auf und Abs wie jeder Mensch. Drei Jahre diese verrückten Reisen rund um den Planeten gemacht zu haben, musste Stoff für die neuen Songs liefern – und das tat es auch. Natürlich hat es auch geholfen, dass wir bessere Musiker geworden sind.
Einige Stücke klingen, als wollten die Hurts die nächsten Depeche Mode werden!
Hutchcraft: Das ist unmöglich! The Cure, Nine Inch Nails, Björk und Depeche Mode – das sind nun mal Bands, die wir lieben und denen wir immer auf gewisse Weise nacheifern werden. Sie klingen nicht unbedingt wie wir, aber sie machen dunkle, interessante Musik auf poppige Art. Das ist auch unser Anliegen.
- CD: Hurts „Exile“ (Four Music/Sony)