Essen. Falschfahrer werden auf Autobahnen nicht selten regelrecht in die falsche Spur gelockt. Das geht aus einem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) hervor, der im Auftrag der Bundesregierung nach mehreren schweren Unfällen erstellt worden ist. Demnach weisen fast alle untersuchten Anschlussstellen bauliche Mängel auf.
Nordrhein-Westfalen kündigte an, nach Vorlage des Mängelberichts „sofort zu handeln“. Alle Streckenabschnitte, in denen 2011 und 2012 Falschfahrten festgestellt wurden, werden nach Anweisung des Verkehrsministeriums erneut untersucht.
Nach dem Bericht sind Anschlussstellen, Autobahndreiecke und Autobahnkreuze oft irreführend beschildert, markiert oder verkehrt angelegt.
Nur sechs von 92 Anschlussstellen ohne Mängel
Laut Untersuchung von 92 Auf- und Abfahrten, 12 Kreuzen und 28 Dreiecken sind die BaSt-Forscher zum Ergebnis gekommen, dass nur sechs der 92 Anschlussstellen mängelfrei waren.
Insgesamt wurden 237 einzelne Mängel festgestellt. „Insgesamt wies jede Anschlussstelle Defizite oder Mängel in durchschnittlich 2,6 Kategorien auf“, heißt es in dem Report.
In je 18,6 Prozent aller Mängel war die wegweisende Beschilderung mangelhaft oder fehlten Schilder der Gattung „Verbot der Durchfahrt“. In 14,8 Prozent war der Pfeilwegweiser zur Autobahn falsch aufgestellt oder fehlte. 9,7 Prozent der Fehler traten bei der Linienführung bei fehlender baulicher Trennung der Fahrbahnen auf.
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Zwar seien die Fehler bei der Beschilderung nicht nachweisbar eine entscheidende Ursache dafür, dass der falsche Weg eingeschlagen wird, stellen die Autoren fest. Aber sie gehen davon aus, „dass Defizite, die einen Einfluss auf die Orientierung und Führung von Fahrzeugführern haben, Fahrfehler verursachen und Falschfahrten begünstigen können“.
Wie kommt es zu den rund 1800 jährlichen Falschfahrten auf Autobahnen? Und: Wer sind die Falschfahrer? Hier gibt der BaSt-Bericht Auskunft.
In 30 Prozent der Fälle ist das falsche Auffahren an den Anschlussstellen die Ursache. Nur 15 Prozent kommen durch das Wenden auf der Autobahn zustande. Jeder zehnte Falschfahrer macht den „U-Turn“, nachdem er richtig eingefahren ist und schon den Beschleunigungsstreifen erreicht hat.
Falschfahrer sind überwiegend ältere Männer
Falschfahrer sind meistens Männer. Unter ihnen ist die Gruppe der über 65-jährigen überproportional vertreten. Diese älteren Menschen haben oft „Orientierungsschwierigkeiten“. Sie verirren sich auch meist am helllichten Tag. Bei den jüngeren Falschfahrern, die meist nachts zwischen 0 und sechs Uhr früh auftauchen, spielt Alkohol eine große Rolle – was dann gefährlich wird: „Der Anteil der Alkoholunfälle bei Falschfahrtunfällen ist etwa 19fach höher als bei allen Unfällen auf der Autobahn“.
Unfälle, die auf falsches Auffahren oder verbotenes Wenden zurückzuführen sind, seien insgesamt „seltene Ereignisse“, sagen die Forscher. Nur 75 bis 80 Falschfahrten im Jahr enden so – bei 155 000 Unfällen auf der Autobahn. Aber oft hat das dann tödliche Folgen. Bei jedem zweiten dieser Unfälle kommen Personen zu Schaden. Bei 15 Prozent kommen Menschen ums Leben.
Das Forscherteam der Bundesanstalt für Straßenwesen macht eigene Vorschläge, wie Autobahnauffahrten besser ausgeschildert und markiert werden können, um vor allem das Linksabbiegen in die Autobahnauffahrt zu erleichtern. Sie weisen auf Tests dazu in Bayern hin. Um die „zum Teil erheblichen Mängel“ abzustellen, empfehlen sie aber auch häufigere Streckenkontrollen.
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Nordrhein-Westfalens Landesverkehrsminister Michael Groschek (SPD) kündigte gestern „sofortiges Handeln“ vor allem bei besserer Markierung und Beschilderung an. Allerdings: „Die Studie des Bundes zeigt auch, dass viele Falschfahrten als vermeintliche Mutprobe unternommen werden. Hier treten jüngere Fahrer vor allem in der Nacht von Samstag auf Sonntag in Erscheinung“.