Essen. . Einen verpflichtenden Fahreignungstest für ältere Autofahrer gibt es in Deutschland nicht. Die Behörden können aber bei Bedarf eine Prüfung anordnen. Oder die Fahrerlaubnis einschränken. Hier erfahren Sie Wichtiges zum Thema Autofahren im Alter.
Auf den ersten Blick haben ältere Autofahrer in Deutschland wenig zu befürchten. Anders als in anderen Ländern, etwa Dänemark oder Australien, gibt es keine verpflichtenden und regelmäßigen Gesundheitstests zur Überprüfung ihrer Fahrtauglichkeit.
Auf den zweiten Blick aber zeigt sich: Der Führerschein von Senioren kann durchaus gefährdet sein. Dann nämlich, wenn sich im Alter Anzeichen von fahrerischen Defiziten einstellen, die die Verkehrssicherheit beeinträchtigen. Die Behörden können dann Tests und Gutachten verlangen und im Ernstfall den Führerschein einziehen. Fragen und Antworten.
Wie erhalten die Behörden Kenntnis von vermeintlichen Defiziten?
Klassisch kommen die Informationen von der Polizei. Ein Beispiel: Fällt den Beamten ein älterer Autofahrer auf, der sich permanent am Mittelstreifen orientiert, der extrem langsam fährt oder auf ihre Anhaltesignale über einen längeren Zeitraum nicht reagiert, können sie die zuständige Führerscheinstelle von Stadt oder Kreis informieren. Verdacht: keine Kraftfahreignung.
Welche Handlungsmöglichkeiten hat die Führerscheinstelle?
Volker Lempp, Rechtsanwalt des Auto Club Europa (ACE) sagt: „Sie prüft, ob sich die vermuteten Bedenken gegen die Eignung erhärten lassen. Dabei kann sie eine Fahrprüfung, in Einzelfällen auch eine ärztliche oder gar medizinisch-psychologische Begutachtung anordnen.“ Mögliche Bescheide kosteten einen dreistelligen Betrag an Gebühren „und können nicht einmal mit Rechtsmitteln angefochten werden“, so Lempp.
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Was bedeutet ein entsprechender Bescheid für Betroffene?
„Sie müssen in den sauren Apfel beißen und die Anordnung erfüllen“, empfiehlt Lempp. Tun sie es nicht, wird die Fahrerlaubnis entzogen. „Erst dann kann dagegen geklagt werden, aber als Jurist kann ich das niemandem empfehlen.“ Das Verfahren dauere mitunter ein bis zwei Jahre. Und der Ausgang sei ungewiss. Das saarländische Oberverwaltungsgericht jedenfalls hielt in einem Fall aus dem Jahr 1994 eine angeordnete amtsärztliche Gesundheitsprüfung einer 81-Jährigen für rechtmäßig. Diese war zwar noch nie „verkehrsrechtlich in Erscheinung“ getreten, einer Polizeistreife aber wegen extrem langsamer Fahrt und einer Orientierung an der Mittellinie aufgefallen. (AZ: 3W15/94)
Wie beurteilen die Autoclubs die Situation?
Weder der ACE noch der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) sehen einen Anlass für einen verpflichtenden Senioren-TÜV. „Es gibt dafür keine Grundlage, die Unfallstatistik jedenfalls gibt sie nicht her“, sagt Lempp. Auch der ADAC-Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino sieht das so. „Senioren gehören nach Auswertung der Unfallzahlen nicht zur Hochrisikogruppe.“
Dass ältere Fahrer laut Bundesamt für Statistik zwischen 2001 und 2011 mehr Unfälle verursacht hätten, sei nicht verwunderlich – schließlich sei deren Anteil an der Bevölkerung gestiegen. Auch dass 80-Jährige bei einem Unfall zu 80 Prozent die Schuld tragen, sage nichts aus über Unfallhäufigkeit und -schwere. Und: Um ein aussagekräftiges Urteil über die Fahreignung fällen zu können und dabei die Irrtumswahrscheinlichkeit so klein wie möglich zu halten, bräuchte es aufwändige und teure Tests. Dies stehe in keinem Verhältnis.
Wofür sprechen sich die Autoclubs aus?
ACE und ADAC plädieren für freiwillige Überprüfungen der Gesundheit. Dazu gehörten regelmäßige Seh- und Hörtests. Sollte die Fahrtauglichkeit bei Zeiten stark nachlassen, sehen sie auch Hausärzte und Familienmitglieder in der Pflicht, auf die Senioren einzuwirken. Interessant dabei: Einer Studie der Verkehrswachtstiftung Niedersachsen zufolge würden vier von fünf Senioren auf Anraten ihres Arztes ihren Führerschein abgeben. ADAC-Angaben zufolge besitzen in Deutschland etwa 1,7 Millionen Menschen im Altern von 75 bis 84 Jahren ein Auto.
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Was sagen Verkehrspolitiker?
Initiativen für die Einführung eines Sicherheits-TÜV für ältere Autofahrer gibt es in regelmäßigen Abständen. Nur: Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat der Idee erst vor Wochen eine Absage erteilt. Eine solche Verordnung würde eine Altersdiskriminierung bedeuten, so der Minister.
Welche Vorschläge gibt es aus der Wissenschaft?
Prof. Dr. Egon Stephan von der Uni Köln, Leiter der „Obergutachterstelle des Landes NRW zur Beurteilung der Kraftfahreignung“, spricht sich bei Bedarf für örtliche oder zeitliche Einschränkungen bei der Fahrerlaubnis aus. Für Senioren jedenfalls, die durch Unsicherheiten am Steuer aufgefallen seien. Im speziellen Fall könne die Fahrerlaubnis auch nur für bestimmte Straßen gelten. Rechtlich seien Maßnahmen wie diese unbedenklich. Das Fahrerlaubnisrecht lasse Einzelfallgerechtigkeit zu, so Stephan.
Diese Spielräume würden von den Behörden derzeit aber nicht genutzt. Im Zweifel würde der Führerschein eingezogen – und den Menschen damit ein Stück Lebensqualität genommen. Auch Verkehrspsychologe Chiellino kann sich mit der eingeschränkten Fahrerlaubnis anfreunden. „Das ist sinnvoll und die meisten Senioren würden dies auch akzeptieren.“