Beirut. In ihrem unnachgiebigen Kampf gegen die Opposition im eigenen Land nimmt die syrische Führung auch Sanktionen der Arabischen Liga in Kauf. Die ultimative Aufforderung der Liga, sie müsse bis Freitagmittag der Entsendung von Beobachtern zustimmen, ließ die Regierung in Damaskus verstreichen.
Die Unruhen in Syrien nehmen immer blutigere Formen an. Nachdem am Freitag offenbar sechs Elitepiloten der syrischen Streitkräfte und vier Techniker in der Provinz Homs bei einem Angriff getötet wurden, drohte die Militärführung, zurückzuschlagen. Zugleich wuchs der internationale Druck auf Syrien, die brutale Unterdrückung der Oppositionsbewegung einzustellen. Frankreich schlug die Einrichtung humanitärer Korridore vor, während die Arabische Liga Damaskus eine letzte Frist lies, um einer Beobachtermission doch noch zuzustimmen.
Man werde "jede böse Hand, die syrisches Blut vergießt, abschlagen", heißt es in einer Erklärung der syrischen Streitkräfte vom Freitag. Die ungewöhnlich massive Attacke in der Provinz Homs markiere eine gefährliche Eskalation in dem inneren Konflikt. "Unsere bewaffneten Kräfte werden weiter die Sicherheit des Landes verteidigen und wir werden gegen alles, was uns bedroht, zurückschlagen", erklärte die Militärführung. Der Angriff schürte Ängste vor einem Bürgerkrieg.
Wohl um die Teilnehmer der Freitagsgebete von Demonstrationen abzuhalten, gaben Sicherheitskräfte vor den Moscheen in der Unruheprovinz Daraa Schüsse ab. Aus der Provinz Idlib an der türkischen Grenze wurden Demonstrationen gemeldet. Drei Personen wurden nach Angaben des in London ansässigen Syrischen Beobachtungszentrums für Menschenrechte getötet. Unabhängige Berichte aus dem Land sind jedoch nicht zu erhalten, weil die Regierung keine ausländischen Reporter zulässt.
Frankreich sondiert wegen härtere Maßnahmen
Einige Länder erwägen nun härtere Schritte gegen die Regierung in Damaskus. Der französische Außenminister Alain Juppé forderte erneut humanitäre Korridore, die von der EU geschützt werden sollten. Durch solche Korridore könne beispielsweise das Rote Kreuz medizinische Hilfe in die Aufständischen-Hochburg Homs bringen. Dem Sender France Inter sagte Juppé, er stehe deswegen in Kontakt mit Partnern bei den Vereinten Nationen, US-Außenministerin Hillary Clinton und der Arabischen Liga. Die Situation in Syrien sei "nicht länger tragbar". Er beschuldigte das Regime von Baschar Assad der Unterdrückung in einer Wildheit, wie wir sie lange Zeit nicht erlebt haben".
Ein führender Diplomat der Arabischen Liga teilte am Freitag mit, dass Syrien die Frist für die Zulassung einer Beobachtermission missachtet habe. Die Liga hatte bei Nichtbeachtung mit Wirtschaftssanktionen gedroht. Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elaraby, teilte mit, Syrien habe in einem Brief um Details zur Beobachtermission und deren Rechtsstatus gebeten. Ein führender Diplomat der Liga sagte, diese werde auch noch bis zum Ende des Tages eine Übereinkunft mit Syrien akzeptieren.
Arabische Liga entscheidet Samstag über Sanktionen
Die Arabische Liga trete am Samstag zusammen, um über Sanktionen zu entscheiden, teilte ihr Vize-Generalsekretär Achmed Ben Heli mit. Dazu könne die Einstellung von Flügen und das Einfrieren von Finanzgeschäften und Guthaben gehören.
Der türkische Außenminister Achmet Davutoglu hatte sich der Forderung nach einer Beobachter-Mission angeschlossen. Damaskus könne seinen guten Willen beweisen, wenn es die Forderung der Arabischen Liga erfülle, sagte Davutoglu am Freitag.
Die Geduld der Türkei und der arabischen Länder gehe angesichts des Blutvergießens in Syrien zu Ende, warnte Davutoglu bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem neuen italienischen Außenminister Giulio Terzi in Istanbul. Terzi bezeichnete die Situation in Syrien als eine "besorgniserregende Tragödie".
Damaskus kritisiert Arabische Liga
Zuvor hatte Syrien das Ultimatum der Arabischen Liga zur Annahme eines Friedensplans und Öffnung für eine Beobachtermission scharf zurückgewiesen. Die amtliche syrische Nachrichtenagentur SANA warf der Arabischen Liga am Freitag vor, sie sei zu einem "Werkzeug für die ausländische Einmischung" geworden. Sie diene einer westlichen Agenda, um Unruhe in die Region zu tragen. SANA wies auch auf Demonstrationen von Tausenden Anhängern der Regierung hin.
Der UN-Ausschuss gegen Folter äußerte am Freitag große Sorge wegen zunehmender Berichte über Misshandlungen von Kindern in Syrien. Dem Gremium lägen "zahlreiche, übereinstimmende und fundierte" Informationen über Folter durch die Sicherheitskräfte des Landes vor, hieß es in Genf. Besonders beunruhigend seien Angaben über Vorfälle im Zusammenhang mit Kindern, sagte der Ausschussvorsitzende Claudio Grossman.
Nach Angaben der Vereinten Nationen sind bei dem gewaltsamen Vorgehen des Assad-Regimes gegen Demonstranten seit März mehr als 3.500 Menschen getötet worden. (afp/dapd)