Berlin. Bessere Öffnungszeiten der Kindergärten, Ausbau der Ganztagsschulen, familienfreundliche Arbeitszeitmodelle: Mit diesen Forderungen wollen Experten dafür sorgen, dass Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können.

Mehr als 40 Prozent der Eltern mit minderjährigen Kindern leiden nach eigener Schilderung unter Zeitdruck. Das geht aus dem achten Familienbericht hervor, der am Freitag in Berlin an Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) übergeben wurde. 63 Prozent der Väter und 37 Prozent der Mütter geben demnach an, zu wenig Zeit für ihre Kinder zu haben. Bei alleinerziehenden Müttern ist das fast jede zweite.

In ihrem Bericht fordert die mehrköpfige Expertenkommission von der Politik deshalb mehr Anstrengungen für eine familienfreundliche Zeitpolitik. Dazu gehört demnach eine bessere Koordinierung von Arbeitszeiten und Öffnungszeiten der Kindergärten. Das Zeitmanagement der Eltern werde erheblich dadurch eingeschränkt, dass Schulen und Betreuungseinrichtungen "keine Rücksicht auf die Arbeitszeiten von Eltern nehmen".

Berufstätige Eltern stehen vor unlösbaren Problemen

Die Sachverständigen fordern zudem den weiteren Ausbau der Ganztagsbetreuung und kürzere Ferienschließzeiten. Zwar sei der Anteil der Ganztagsgrundschüler zwischen 2004 und 2008 von sieben auf 19 Prozent gestiegen. In Westdeutschland sei aber immer noch die Halbtagsschule die Regel. Dies und 14 Wochen Schulferien im Jahr stellten berufstätige Eltern "vor beinahe unlösbare Probleme, kritisieren die Experten.

Weiterhin schlägt der Familienbericht vor, die Potenziale älterer Menschen bei der Unterstützung von Familien stärker zu nutzen, zum Beispiel über den Bundesfreiwilligendienst oder über kommunale Netzwerke. Während Eltern mit Kindern häufig unter Zeitknappheit litten, hätten Menschen im Ruhestand zum Teil große Zeitreserven.

Väter arbeiten mehr als sie wünschen

Von der Wirtschaft fordern die Experten mehr familienfreundliche Arbeitszeitmodelle. Die von vielen Müttern gewünschte Teilzeitarbeit im Umfang von 30 Stunden werde bisher noch nicht in ausreichendem Maße angeboten, während Väter dagegen oft mehr arbeiteten als sie wünschten. Dadurch bleibe Vätern oftmals nicht viel Familienzeit.

Ministerin Schröder bezeichnete Zeit als die "Leitwährung" der Familienpolitik. Der Wunsch der Eltern nach mehr Zeit für Familie rangiere weit vor dem Wunsch nach mehr Geld oder nach besserer Kinderbetreuung. Zugleich verteidigte sie den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kleinkinder ab 2013. Daran werde "nicht gerüttelt", sagte die Ministerin in Berlin. Laut dem Familienbericht hätten derzeit nur etwa 57 Prozent der Kinder zwischen zwei und drei Jahren einen Betreuungsplatz, während sich dies 80 Prozent der Eltern wünschten.

Breite Debatte gefordert

Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig kritisierte, die Betreuungssituation für Kleinkinder sei vielerorts "beklagenswert". Nur elf Prozent der Kinder unter drei Jahren könnten eine Ganztagsbetreuung in Anspruch nehmen. Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte, die für das umstrittene Betreuungsgeld vorgesehenen Gelder besser in Betreuungsplätze zu investieren.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ingrid Sehrbrock mahnte darüber hinaus eine breite gesellschaftliche Debatte über Arbeitszeiten an. Die Organisation der Arbeitszeit sei "der Schlüssel für eine familienfreundliche Arbeitswelt". Großelternzeit oder Freiwilligendienste könnten den Ausbau der Kinderbetreuungplätze nicht ersetzen.

Die Regierung muss Bundestag und Bundesrat mindestens jede zweite Legislaturperiode einen Bericht über die Lage der Familien vorlegen. Der vorherige Familienbericht wurde im Jahr 2006 unter Schröders Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) vorgestellt. (afp)