Essen. Restaurant-Gäste bekommen öfter aufbereitetes „Kranberger“ statt Mineralwasser. Billig ist das nicht – und auch nicht jedermanns Geschmack.
In Frankreich ist es Standard: Gehen wir ins Restaurant, bringt der Kellner unaufgefordert eine Karaffe Leitungswasser. Sie gehört zum Menü, wird nicht berechnet und kann nachbestellt werden. Marken-Mineralwasser aus der Flasche kostet dagegen extra Und bei uns? Deutsche Gastronomen haben es lange Zeit vermieden, ihren Gästen Trinkwasser anzubieten. Das ändert sich jetzt offenkundig. Immer mehr Restaurants servieren gefiltertes, gekühltes und nach Wunsch mit Kohlensäure versetztes Leitungswasser.
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Das sollte den Gast eigentlich erfreuen. Tut es aber nicht. Denn, so ergaben unsere Recherchen: Ein Liter „Kraneberger“, auf der Getränkekarte als „Wasser“ oder „Tafelwasser“ angeboten, kostet bis zu acht Euro. So mancher Restaurantbesucher muss da erst einmal schlucken.
6,40 Euro für 0,75 Liter Wasser aus dem Kran
Die Bezeichnung Tafelwasser ist dabei nicht ganz korrekt. Denn es wird industriell zumeist aus Leitungswasser hergestellt, mit Mineralien und Kohlensäure versetzt und in Flaschen abgefüllt. Der Versuch, ein klassisches Mineralwasser zu bestellen, schlägt immer häufiger fehl. „Wir haben nur unser eigenes Wasser, mit und ohne Sprudel“, sagt uns die freundlich lächelnde Servicekraft in einem Bistro.
Das „eigene“ Wasser aus der kommunalen Wasserleitung zum ähnlichen Preis eines Mineralwassers? Na, denn Prost!
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Die Wasserversorger hierzulande berechnen durchschnittlich zwei Euro für 1000 Liter Trinkwasser, also 0,2 Cent pro Liter. Da scheint die Rechnung für den Wirt voll aufzugehen. Wir fragen nach im renommierten italienischen Restaurant „Trulli“ in der Gelsenkirchener Innenstadt. Stefano Cidaria, einer der beiden Juniorchefs des seit Jahrzehnten etablierten Familienbetriebs, gibt Auskunft: „Wir sind von der Aufbereitungsanlage voll überzeugt.
Das Wasser wird gefiltert, läuft durch ein patentiertes Kühlsystem und wird nach Wunsch mit Kohlensäure angereichert. Das Wasser ist stets frisch und schmeckt.“ Nachhaltigkeit und Kosten seien die wesentlichen Gründe für die Umstellung: „Die Lizenzgebühren für die Anlage, Anschaffung und das Spülen der Karaffen sind günstiger als die Ausgaben für Transport und Lagerhaltung.“ 6,40 Euro kosten 0,75 Liter Wasser bei „Trulli“. „Für eine Flasche klassisches Mineralwasser müssten wir inzwischen acht Euro berechnen. Das würde doch keiner mehr bezahlen“, ist sich Stefano Cidaria sicher, mit der günstigeren Variante auf dem richtigen Weg zu sein.
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Hersteller von Sprudlern werben mit neuester Technologie und Hygienestandards – aber auch mit dem Profit, den die Restaurantbetreiber damit erzielen können. Heino Hövelmann, Geschäftsführer von RheinfelsQuellen Duisburg, sieht das anders: „Leitungswasser ist aus unserer Sicht nicht tischfähig.“ Noch sei der Gastronomie-Anteil des Konzern-Umsatzes der kleinere, dennoch werde man die Situation im Auge behalten, erläutert er.
„Wir bedauern sehr, dass es offensichtlich Gastronomen gibt, die auf Mineralwasser verzichten. Schließlich ist es etwas ganz Besonderes und das einzige deutsche Lebensmittel, das einer amtlichen Anerkennung bedarf. Wir reden über ein Naturprodukt, das in jeder Flasche eine charakteristische Mineralisierung aufweist. Deshalb bekommt der Gast Mineralwasser in der geschlossenen Flasche, die erst am Tisch vom Servicepersonal geöffnet wird.“
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Ein gutes Restaurant, ein feines Menü und dazu ein guter Wein. Statt Mineralwasser aber nur aufbereitetes Leitungswasser. Das passt für so manchen Gast nicht zusammen, nicht allein wegen des Preises, sondern auch wegen des Geschmacks.
„Trinkwasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel“
Wasserversorger wie Gelsenwasser „stehen hinter diesen Wassersprudlern“ wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilt. Denn Trinkwasser sei ein qualitativ hochwertiges und nachhaltiges Produkt. Aber: „Wir sind für die Wasserqualität nur bis zum Zähler beim Endverbraucher zuständig. Was danach passiert, fällt nicht mehr in unsere Verantwortung.“
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Mögliche Verunreinigungen, Ablagerungen oder alte Rohre können die Qualität mindern. Falsches Handling mit den Sprudlern ebenfalls. Heino Hövelmann von RheinfelsQuellen bleibt deshalb skeptisch: „Die Aufbereitungsanlagen können Wasser weder gesund noch zu einem natürlichen Mineralwasser machen. Sie sind aus unserer Sicht keine Alternative zum Mineralwasser.“ Allein in Deutschland werden rund 500 verschiedene Mineralwässer aus 150 Brunnen angeboten.
Die Qualität von Trink- bzw. Leitungswasser ist in Deutschland gut bis sehr gut, stellt die Verbraucherzentrale fest. In der gesetzlichen Trinkwasserverordnung werden die Beschaffenheit des Wassers für den menschlichen Gebrauch vorgegeben und strenge Grenzwerte für verschiedene Stoffe wie Nitrat, Blei, Kupfer und Uran definiert.
Die rechtlichen Vorgaben werden laut Verbraucherzentrale zu über 99 Prozent eingehalten. Wasserversorger filtern gesundheitsgefährdende Substanzen aus dem Grundwasser sowie dem Oberflächenwasser aus Flüssen und Seen heraus und machen es zu genießbarem Wasser. Deshalb dürfen sie es aber nicht als „gesund“ bewerben oder behaupten, dass Trinkwasser „das am besten kontrollierte Lebensmittel“ ist. Das haben die Landgerichte Landshut (April 2021) und Hannover (Dezember 2020, bereits rechtskräftig) mit ihren Urteilen verfügt.
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„Preise sind nicht unsere Baustelle“
Ob Leitungs- oder Mineralwasser im Restaurant auf den Tisch kommt, wird letztlich der Gast bestimmen. Dabei werden Preis, Qualität und Geschmack eine Rolle spielen, wobei der durchweg hohe Preis für Mineralwasser schon lange für Unmut und Unverständnis sorgt. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga hält sich raus: „Hinsichtlich der Preis- und Angebotsgestaltung geben wir keine Empfehlung. Das ist eine ureigene unternehmerische Entscheidung. Am Ende stimmen die Gäste darüber ab“, sagt Pressesprecher Thorsten Hellwig.
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„Die Preise, die ein Gastronom für einen Liter aufgesprudeltes Trinkwasser berechnet, sind nicht unsere Baustelle. Verärgerung beim Kunden über sehr hohe Preise sind verständlich“, lautet das Fazit bei Gelsenwasser. Und Heino Hövelmann von RheinfelsQuellen hofft im Interesse der Mineralwasserproduzenten: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gastronomen, die Leitungswasser in größeren Mengen ausschenken und dafür exorbitante Preise aufrufen, diese Strategie lange fahren können. Hier wird sich ganz sicher der Gast zu Wort melden – zu Recht.“
Dies ist ein Artikel der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen. Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.