Essen. Glutamat wird besonders in der chinesischen Küche viel verwendet. Der Stoff gilt als Auslöser für Probleme von Übelkeit bis Ausschlag. Zu recht?

Kaum ein Begriff erregt in der Gastronomie so viel Aufmerksamkeit und Faszination wie das China-Restaurant-Syndrom. Dieser umgangssprachliche Begriff stammt aus den 1960er-Jahren und sorgt bei vielen Menschen bis heute für Verwirrung und Besorgnis über die potenziellen Gesundheitsrisiken, die mit dem Verzehr chinesischer Gerichte verbunden sind. So berichten manche Menschen, dass sie nach dem Verzehr von glutamathaltigen Lebensmitteln Missempfindungen oder vegetative Störungen verspüren, meist 10 bis 20 Minuten nach dem Essen, manchmal auch Stunden später, die bis zu mehreren Stunden anhalten können.

Symptome können demnach folgende sein: Kopfschmerzen an den Schläfen oder Nackensteifheit, Hautrötung oder Wärme im Gesicht und am Hals, Hitzegefühl oder Schwitzen, Schmerzen oder Engegefühl in der Brust, Übelkeit, von leichtem Unwohlsein bis hin zu stärkerem Übelkeitsgefühl oder sogar Erbrechen, Herzrasen, Schwäche oder Müdigkeit, Taubheit oder Kribbeln, selten auch Atembeschwerden.

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Der vermeintliche Übeltäter: Glutamat

Möglicher Auslöser für die beschriebenen Symptome ist neben einem hohen Natrium- oder Histamingehalt in Nahrungsmitteln das Mononatriumglutamat (MNG). Mononatriumglutamat, allgemein bekannt als Glutamat, ist eine natürlich vorkommende Verbindung, die in gebundener Form in fast allen proteinreichen Lebensmitteln vorkommt – beispielsweise in Milchprodukten, Fleisch, Fisch und vielen Gemüsesorten.

Der japanische Chemiker Kikunae Ikeda entdeckte die Substanz als Natriumsalz der Glutaminsäure vor mehr als 100 Jahren in Algen. Von industrieller Seite wird Glutamat durch Fermentation von Naturprodukten wie Zuckerrüben, Zuckerrohr oder Melasse hergestellt. Das weiße, wasserlösliche und kristalline Pulver entwickelt in Kombination mit bestimmten anderen Gerichten ein besonderes Aroma, das sogar den natürlichen Geschmack von Lebensmitteln überlagern kann. So sorgt es dafür, dass der Appetit auch dann erhalten bleibt, wenn man bereits satt ist.

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Glutamat steckt in Sojasoße, Pilzen, Brühwürfeln…

Viele asiatische Küchen verwenden es, um den Geschmack von Speisen zu verbessern. Besonders viel Glutamat steckt beispielsweise in Soja- und Fischsoße, Tomaten, Pilzen, Seetang, Hefeextrakt, Brühwürfeln und Gewürzmischungen. Menschen mit ausgewogener Ernährungsweise nehmen rund 10 Gramm gebundenes Glutamat mit der täglichen Nahrung zu sich. Der Großteil des mit der Nahrung aufgenommenen Glutamats wird schnell verwertet und dient als Energielieferant, aber auch als Transmitter.

Obwohl Glutamat als Auslöser von Unverträglichkeitsreaktionen in der Kritik steht, spielt es eine wichtige Rolle im Stoffwechsel und für die Gehirnfunktion. Zusätzlich zu gebundenem Glutamat ist das Gehirn auch selbst in der Lage, etwa 50 Gramm Glutamat pro Tag zu produzieren. Beim körpereigenen Glutamat handelt es sich um freies Glutamat, das direkt verfügbar ist und nicht erst an Eiweißstoffe gebunden wird. Freies Glutamat fungiert als Botenstoff zwischen den Zellen und ist an der Gewichtsregulierung, der Steuerung des Appetits, der Schmerzübertragung und dem Körperwachstum beteiligt.

Allein die Dosis macht, dass ein Ding (k)ein Gift ist

Obwohl die meisten Menschen Glutamat ohne negative Auswirkungen konsumieren können, ist es wichtig zu wissen, dass ein übermäßiger Verzehr – wie bei jedem anderen Inhaltsstoff auch – bei manchen Menschen Reaktionen hervorrufen kann. Wie bei jedem Aspekt der Ernährung ist die Ausgewogenheit der Schlüssel. Um trotzdem mit dem gesundheitsbewussten Zeitgeist zu gehen, werben inzwischen viele asiatische Restaurants daher mit dem Hinweis: „Wir kochen ohne Glutamat“.

Die wissenschaftliche Sichtweise

Die potenziell schädlichen Auswirkungen von Glutamat wurden in Studien untersucht, und die Experten sind sich einig, dass der Verzehr im Allgemeinen unbedenklich ist. Die Symptome, die dem China-Restaurant-Syndrom zugeschrieben werden, haben sich als widersprüchlich und weitgehend anekdotisch erwiesen, und alle gemeldeten unerwünschten Reaktionen sind selten und individuell verschieden. Viele Organisationen, darunter die WHO, stufen den Geschmacksverstärker als nicht schädlich für den menschlichen Organismus ein, und auch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) wertet Glutamat bei normalem Verzehr „allgemein als sicher anerkannt“ (GRAS).

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Ein Nachweisverfahren für eine Glutamat-Überempfindlichkeit gibt es nicht. Dennoch: Wer glaubt, empfindlich darauf zu reagieren, sollte einen Arzt oder Ernährungsberater aufsuchen, um die Ernährungsweise beurteilen zu lassen.

Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen.Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.