Bochum. Mischa Luy von der Ruhr-Uni Bochum hat mit Preppern gesprochen, um die Szene in Deutschland zu erforschen. Was er herausgefunden hat.

Mischa Luy forscht an der Ruhr-Universität Bochum zu Preppern in Deutschland. Warum sich die meisten von ihnen gar nicht auf den Weltuntergang vorbereiten und Waffen dennoch eine große Rolle in der Szene spielen, hat er Sophie Sommer im Interview erklärt.

Warum werden Menschen zu Preppern?

Mischa Luy: Die Gründe sind sehr unterschiedlich. Es sind teilweise Menschen, die im gewissen Maße so sozialisiert wurden. Zum Beispiel, wenn die Großeltern Lebensmittel eingemacht haben, der Vorratskeller immer gut gefüllt war und es Teil der Erziehung war, dass man sich selbst zu helfen weiß. Biografische Erlebnisse spielen ebenfalls eine Rolle.

Wenn man zum Beispiel einen längeren Stromausfall erlebt hat, auf der Autobahn eingeschneit war oder als Teil der Bundeswehr in Afghanistan stationiert war. Und dann gibt es noch einen dritten Grund: Die vielen Krisen, die wir in den letzten Jahren miterlebt haben, waren für viele ein Auslöser, um mit dem Preppen zu beginnen. Preppen ist also immer auch ein Ausdruck gesellschaftlicher Krisen.

Davon gab es in den letzten Jahren einige. Wächst die Prepper-Szene in Deutschland?

Ja, durch die aktuellen Krisen es gibt ein viel größeres Interesse am Preppen. Wie viele Prepper es in Deutschland gibt, kann man allerdings nicht verlässlich sagen. Schätzungen gehen von 10.000 bis zwei Millionen Menschen aus. Die Spannbreite ist sehr hoch.

Welches Weltbild haben diese Menschen?

Wir leben in unsicheren Zeiten, die Welt ist ein unsicherer Ort, man muss die Sicherheit selbst in die Hand nehmen: Das ist die gängige Vorstellung, die bei manchen Preppern eben sehr stark, bei anderen weniger stark ausgeprägt ist. Generell spricht Preppen Menschen an, die ein Faible für Technik, Natur oder für Bewaffnung haben. Und es ist ein eher männliches Phänomen.

Mischa Luy hat für seine Forschung an der Ruhr-Uni Bochum mehrere Prepper aus Deutschland interviewt.
Mischa Luy hat für seine Forschung an der Ruhr-Uni Bochum mehrere Prepper aus Deutschland interviewt. © Privat | Privat

Seit wann gibt es Prepper?

Man kann zwei verschiedene Stränge zurückverfolgen. Der Strang des sogenannten „Survivalism“ (engl. survival = überleben) hat seine Ursprünge im 19. Jahrhundert, zu Zeiten des Kolonialismus. Damals sahen sich westliche Reisende mit fremden Kulturen und fremder Flora und Fauna konfrontiert.

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Dabei entstanden Reise-Manuale, die als eine Art Anleitung festgehalten haben, wie man in der fremden Umgebung überlebt. Dieses Survival-Wissen wurde dann in die westliche Welt zurückgebracht und hat dort zum Beispiel in der Lebensreformbewegung, bei den Pfadfindern und der militärischen Ausbildung Einzug gefunden.

Und der zweite Strang?

Der geht auf den Begriff der „prepardness“ (engl. Bereitschaft) selbst zurück. Der Strang hat seinen Ursprung im kalten Krieg, also in den 1940er und 1950er Jahren. Damals sprach das US-Militär von einer „homefront prepardness“, also der Heimatvorbereitung. Gemeint war, dass man sowohl das Militär als auch die Zivilbevölkerung in eine Art Bereitschaftszustand versetzt, sodass im Falle eines Atomkriegs die Überlebenschancen erhöht werden. Und genau das ist die eigentliche Grundidee des Preppens: Es geht nie um das Verhindern einer Katastrophe, sondern darum, die Folgen eines schadhaften Ereignisses besser handhabbar zu machen.

Bochumer Forscher über Prepper: „Viele fürchten einen Stromausfall“

Wie stellen sich Prepper diese „schadhaften Ereignisse“ vor, welche Katastrophen-Szenarien kursieren unter ihnen?

Ich habe insgesamt 14 Prepper interviewt. Keiner von ihnen denkt an ein Weltuntergangs-Szenario. Solche Prepper gibt es zwar, sie werden in der Szene „Doomer“ (engl. doom = Untergang) genannt, meistens aber belächelt. Ein Großteil der Prepper bereitet sich eher auf realistischere Szenarien vor. Viele fürchten, dass es einen großflächigen Stromausfall geben könnte. Aber auch diverse Naturkatastrophen spielen eine Rolle, Überschwemmungen oder Erdbeben zum Beispiel.

Was interessant ist: Die meisten Interviews habe ich vor dem Ausbruch der Pandemie geführt und nur ganz wenige Prepper haben überhaupt an eine Pandemie als mögliche Krise gedacht. Die Corona-Pandemie kam für viele Prepper überraschend. Manche Katastrophen-Szenarien haben auch eher einen politischen Charakter. Einige Prepper befürchten zum Beispiel, dass es einen Bürgerkrieg wegen politischer Lagerbildungen geben könnte. Ich habe einen Mann getroffen, der ein klar rassistisches Szenarium im Kopf hatte und von einem Bevölkerungsumtausch sprach.

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Wie groß sind generell die Überschneidungen mit rechten Gruppierungen, Reichsbürgern und Menschen, die an Verschwörungserzählungen glauben?

Man kann nicht sagen, dass das Preppen ein per se rechtes Phänomen ist. Aber es ist in Teilen sehr anschlussfähig. Das lässt sich leicht erklären: Preppen geht oft einher mit einem starken Misstrauen, gegenüber anderen Menschen und staatlichen Institutionen.

Welche Rolle spielen Waffen in der Szene?

Waffen sind sehr verbreitet, weil es eben die Vorstellung gibt, dass das staatliche Gewaltmonopol das Einzige ist, was eine Gesellschaft zusammenhält. Wenn das im Katastrophenfall geschwächt sein sollte, kommt es unweigerlich zu der Aufweichung einer Gesellschaft und alle Menschen werden zu Konkurrenten. Die Folge sind Plünderungen und Gewalt. Man muss bereit sein, sich mit Waffengewalt dagegen zu verteidigen. So zumindest die Logik der Prepper.

„Rede nicht übers Preppen“: So lautet daher auch ein Grundsatz der Preppern. Wie groß ist der Zusammenhalt untereinander?

Es ist eine Interessensgemeinschaft, die aber brüchig ist. Im Status quo tauscht man sich über Techniken aus. Aber wer man ist, wo man wohnt, solche Details verrät man nicht. Man berät sich eben untereinander, aber allen ist klar, dass man im Katastrophenfall in Konkurrenz zueinanderstehen wird.

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