Wie war das damals, tief unter der Erde Kohle zu hauen? Regisseur Adnan Günter Köse hat sich ans Werk gemacht, um diese Frage zu beantworten.
Wie war das damals, tief unter der Erde Kohle zu hauen? Wie ging das, sich als junger Türke ohne Sprachkenntnisse im fremden Deutschland einzuleben? Zehn frühere Bergarbeiter der ersten Generation aus Dinslaken-Lohberg hat der bekannte Filmemacher, Drehbuchautor, Regisseur und Sohn eines Lohberger Bergmanns, Adnan Günter Köse, für seinen Dokumentarfilm „Das Abkommen“ interviewt. Die meisten der über 80-jährigen früheren „Kumpel“ leben nach wie vor in der Gartenstadt, der denkmalgeschützten alten Zechensiedlung im Norden Dinslakens. Adnan G. Köses Vater Sevket Köse, 83, ist für die Dreharbeiten sogar aus der Türkei angereist. Am 30. September hat der Film Premiere im Lohberger Ledigenheim, der ehemaligen Wohnstätte der unverheirateten Bergleute.
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Nach der Zeche kam die Kreativität
Die große Steinkohlenzeche nahe des Niederrheins war von 1914 bis 2005 in Betrieb. Anschließend entstand dort das „Kreativ.Quartier Lohberg“ mit neu genutzten historischen Zechengebäuden, Kulturprojekten, neu angelegtem Wohn- und Gewerbegebiet und Windrad auf der Halde, die wie der „Bergpark“ touristisch genutzt werden soll. Der malerische, aber vom restlichen Dinslaken etwas abgehängte Stadtteil ist nach wie stark durch seine Vergangenheit als Zechensiedlung geprägt.
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„Mein Dokumentarfilm soll ein ‚Danke‘ für unsere Väter und Großeltern sein und ist eine nachdenklich stimmende Hommage an diese Senioren“, erklärt Adnan Köse. In den 60er und 70er Jahren haben die nun betagten Männer auf der Zeche malocht. „Die Bergarbeiter erzählen in kurzen Anekdoten von ihren Erinnerungen an ihre erste Zeit in Deutschland. Mein Vater und auch viele seiner ehemaligen Kameraden, mit denen er zum Teil unter Tage gearbeitet hat, waren dafür sehr aufgeschlossen.“ Adnan Köses Familie ist eng mit dem Bergbau verbunden, ebenso wie die des Lohberger Musikers Ali Dilekci, der die „Seelenmusik“ für den Film beisteuert und an den Dreharbeiten beteiligt war. Beide Väter haben auf der Zeche Lohberg gearbeitet, und Adnans Eltern haben eine der ersten deutsch-türkische Ehen geschlossen. Ali Dilekci sei als Vertreter der zweiten Generation seine Brücke zu den über 80-jährigen Männern gewesen“, erzählt der Regisseur. Er lebt selbst nicht mehr in Lohberg, kommt aber oft zu Besuch.
„Mein Vater hatte erst eine Zeit lang überlegt, ob er den Hauptprotagonisten im Dokumentarfilm darstellen möchte“, berichtet Köse. „Es hat einiges an Überzeugungsarbeit gebraucht, dann aber war er absolut überzeugt von seiner Mitwirkung. Er ist für die Dreharbeiten in Lohberg einige Male aus der Türkei – wo er schon seit vielen Jahren lebt – nach Deutschland geflogen und stand zum ersten Mal vor der Kamera.“ Vor den denkmalgeschützten Gebäuden seines früheren Arbeitsortes auf der Zeche Lohberg erzählt der ehemalige „Gastarbeiter“ von den Anfängen unter Tage und seiner Liebe zu einer deutschen Frau.
Umrahmt werden seine Erinnerungen von Begegnungen und Gesprächen mit den alten „Kumpels“: jenen Weggefährten, die sich erst kennenlernten, nachdem sie als Arbeitskräfte aus der Türkei nach Deutschland geschickt wurden. „Sie alle kamen auf Grundlage eines nicht mehr als zweiseitigen Dokumentes, in dem das Auswärtige Amt in Bonn mit der türkischen Botschaft am 30. Oktober 1961 das ‚Anwerbeabkommen‘ geschlossen hatte, erklärt Adnan Köse. Der in Kooperation mit der Stadt Dinslaken realisierte Dokumentarfilm zeige, dass ein solches Abkommen auf dem Papier zwar imstande gewesen sei, die deutsche Wirtschaft vor allem im Ruhrgebiet erfolgreich anzukurbeln. Um die Träume und Sehnsüchte vieler Menschen, die sich auf eine ungewisse Zukunft einließen und das Wirtschaftswunder mit ermöglichten, habe man sich eher wenig gekümmert. Ohne jeglichen integrativen Ansatz, wie wir ihn heute kennen, waren die „Gäste“ auf sich allein gestellt. Geförderte Sprachkurse oder eine Willkommenskultur gab es nicht.
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Existenz mit harter Arbeit gesichert
„Trotz aller gesellschaftlicher, sprachlicher und kultureller Hürden ist es ihnen gelungen, sich und ihren Familien mit harter körperlicher Arbeit eine Existenzgrundlage zu schaffen, die bis heute viele Jahrzehnte überstanden hat,“ würdigt Adnan Köse Männer wie seinen Vater. „Sie sind die wahren Vorbilder für alle nachfolgenden Generationen.“
Die Technik habe sich dank Künstlicher Intelligenz innerhalb eines Jahres so vereinfacht, das die Arbeit mit der Kamera allein oder zu zweit gut möglich gewesen sei, berichtet der Filmemacher. „Es kam jedoch zu Drehverschiebungen während der vergangenen Coronazeit, Terminausfällen und der Abwesenheit von Protagonisten durch Reisen in die Türkei.“ Die Stadt Dinslaken unterstützt das Projekt mit der Bereitstellung und der Organisation des Aufführungsortes im Saal des Ledigenheims einschließlich der Aufführungstechnik sowie in der öffentlichen Bewerbung des Films. Die Doku „Das Abkommen“ über eine bedeutende historische Zeit, die nicht nur das Ruhrgebiet bis heute prägt, will der Filmemacher nach der Premiere auf deutschen und internationalen Filmfestivals, „natürlich auch in der Türkei“, einreichen, dann soll der Film auf Festivaltour gehen. Zudem möchte Adnan Köse gerne auch eine DVD herstellen, „damit ich den Film später auch ins ‚Heimkino‘ bringen kann, dafür suche ich noch Sponsoren. Interessierte können sich gerne bei mir melden.“
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