Essen. Vor allem bei Rewe, Edeka und Netto gibt es immer wieder Lücken in den Regalen. Warum sich daran laut Verdi so bald auch nichts ändern wird.

Ja, ist denn schon wieder Corona? Das lange Regal, in dem dieser Rewe-Markt in Bochum sonst das Klopapier verschiedenster Marken auslegt, ist fast komplett leer, ein paar Packungen Feuchttücher liegen noch im oberen Fach. Auf die Kundenfrage, was denn los sei, sagt ein Mitarbeiter, der gerade Waren einräumt: „Die streiken schon wieder.“ Er meint die Lager-Beschäftigten im Großhandel, die seit einigen Wochen die Verteilzentren aller großen Lebensmitteleinzelhändler bestreiken.

Das bekommen auch die Kundinnen und Kunden in den Supermärkten und Discountern zu spüren. Meist fehlen in den Regalen einzelne Produkte, manchmal aber auch Produktgruppen wie etwa Klopapier, bestimmte Konserven, eingelegtes Gemüse oder Knabberartikel. Wer nachfragt, erhält nicht wie sonst die Aussage, der Artikel sei morgen oder übermorgen wieder verfügbar, sondern immer öfter ein Schulterzucken.

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Und die Verbraucher müssen noch mindestens den ganzen November über mit fehlenden Produkten rechnen, wenn sie einkaufen gehen. Nach sieben ergebnislosen Verhandlungsrunden im Tarifstreit des Groß- und Außenhandels werden die Gespräche in NRW erst am 1. Dezember fortgesetzt. Das nahende Weihnachtsgeschäft drängt für sich schon die Arbeitgeber, den Konflikt beizulegen. Doch die Gewerkschaft Verdi will auch an der Streikfront bis zuletzt Druck aufbauen. Damit diese Tarifrunde nach mehr als einem halben Jahr endlich ein Ende findet. Für den Fall, dass auch die nächste Runde kein Ergebnis bringt, hat Verdi bereits Streiks vor Weihnachten angedroht.

Verdi: Warnstreiks im Großhandel haben erhebliche Auswirkungen

„Die Warnstreiks haben erhebliche Auswirkungen“, betont eine NRW-Sprecherin der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Es werde seit Wochen und Monaten im Grunde durchgehend gestreikt, immer irgendwo die Arbeit niedergelegt. Und das werde bis zum nächsten Verhandlungstermin im Dezember auch so weitergehen, kündigt sie an.

Regelmäßig von Warnstreik-Aufrufen betroffen seien alle Lagerstandorte der großen Akteure, darunter die Edeka-Zentrallager in Oberhausen und Hamm, Rewe-Lager in Dortmund und Köln sowie die Netto-Lager in Bottrop und Krefeld. Am Montag wurden zudem auch die Lager des Großhändlers und Gastronomie-Lieferanten Metro in Essen und Neuss bestreikt. Hinzu kommen noch bundesweite Streikaufrufe aus der Berliner Verdi-Zentrale, so wie am vergangenen Freitag.

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Tatsächlich sind es zwei Tarifauseinandersetzungen, mit denen es die Einzelhändler und ihre Beschäftigten seit Monaten zu tun haben. Beide laufen seit dem Frühjahr parallel, beide zeigten bisher keine entscheidenden Fortschritte: Verdi versucht sowohl für den Einzelhandel als auch für den Groß- und Außenhandel deutlich höhere Löhne durchzusetzen.

Rewe, Aldi, Lidl & Co zahlen bereits freiwillig mehr

Da es kaum eine Branche gibt, in der die Lage der einzelnen Zweige so unterschiedlich ausfällt, gehen manche bereits eigene Wege. So zahlen große Lebensmitteleinzelhändler wie Rewe, Aldi, Lidl und Kaufland bereits freiwillig höhere Löhne. Sie sind der Empfehlung des Handelsverbands Deutschland (HDE) gefolgt, die Entgelte ab Oktober um 5,3 Prozent zu erhöhen, was mit dem ausstehenden Tarifabschluss verrechnet werden kann. Nicht ohne Grund sind dem fast nur Lebensmittelhändler gefolgt, da es ihnen trotz real gesunkener Umsätze aufgrund der hohen Inflation nach wie vor besser geht als etwa dem Textilhandel.

Das Problem ist nur: Zwar streiken bei Rewe, Aldi & Co nicht mehr die Beschäftigten im Markt, doch gehen ihnen wegen der anhaltenden Streiks in den Lagern manche Waren zeitweise aus, auch wenn die Rewe-Zentrale in Köln das nicht sehen will: „Grundsätzlich gibt es keine Versorgungsengpässe oder Nachschubsorgen in unseren Märkten“, erklärt das Unternehmen auf Anfrage unserer Redaktion. Und: „Wenn es vereinzelt Regallücken gibt, sind diese nur temporär, in der Regel krankheitsbedingt.“

Rewe Dortmund bittet Kunden um Verständnis für Regallücken

Das hat mit der Realität vor Ort offensichtlich wenig zu tun. Manche Händler hängen selbst Schilder auf, die um Verständnis wegen der Streikfolgen werben, bei anderen reicht eine Nachfrage. Je näher dran die Dachorganisation ist, desto offener wird sie: Wegen der Streiks könne es „aktuell leider zu Fehlartikeln im Sortiment kommen“, räumt etwa der Rewe-Verbund Dortmund ein, der 400 Supermärkte vor allem im Ruhrgebiet vertritt. „Wir bedauern das sehr und tun das Möglichste, um die Waren in unseren Rewe-Märkten zur Verfügung zu stellen. Wir bitten unsere Kundinnen und Kunden, auf Alternativartikel in unserem Sortiment zurückzugreifen“, heißt es.

Auch der Edeka-Regionalverbund Rhein-Ruhr versucht die Streiks in den Großlagern nicht kleinzureden, betont auf Anfrage unsere Redaktion aber: „Wir haben Maßnahmen eingeleitet, sodass wir unsere Märkte trotz Streik weiterhin mit Ware beliefern und somit Engpässe für unsere Kunden vermeiden.“

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Dies, obwohl auch im Großhandel viele Arbeitgeber, darunter Rewe, Edeka und Netto, bereits freiwillig mehr zahlen, hier lautet die Empfehlung 5,1 Prozent. Dass viele Beschäftigte trotzdem weiter streiken, sieht Verdi als Bestätigung, weiter hart zu verhandeln. „Die weiterhin hohe Streikbeteiligung zeigt, dass das Vorhaben der Arbeitgeber, uns den Wind aus den Segeln zu nehmen, gescheitert ist“, sagt dazu Silke Zimmer, Verhandlungsführerin in NRW.

Im Einzelhandel wie im Großhandel geht es in die achte Verhandlungsrunde

Verdi fordert für die rund 700.000 Beschäftigten im NRW-Einzelhandel 2,50 Euro mehr Gehalt und Lohn pro Stunde. Die Arbeitgeber bieten bisher nach drei Nullmonaten 150 Euro mehr ab August 2023 und weitere 3,1 Prozent ab Mai 2024. Das entspricht Verdi zufolge einer Erhöhung um 92 Cent pro Stunde in 2023 und ab Mai 2024 weiteren 56 Cent. Die achte Tarifrunde ist für den 30. November angesetzt. Im Groß- und Außenhandel fordert Verdi für die gut 300.000 Beschäftigten 13 Prozent mehr Entgelt, mindestens aber 400 Euro. Die Arbeitgeber bieten bisher 5,1 Prozent ab September, also nach vier Nullmonaten, und weitere 2,9 Prozent ab August 2024 sowie zweimal 700 Euro Inflationsprämie. Die Entgelttarifverträge waren im April ausgelaufen.

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„Die Beschäftigten warten seit einem halben Jahr auf nachhaltige, tabellenwirksame Tarifsteigerungen“, beklagt Silke Zimmer, die gerade erst in den Bundesvorstand von Verdi aufgestiegen ist. Die Verhandlungen in ihrem Heimatland NRW will sie aber noch zu einem Abschluss bringen. Einen neuen Anlauf nimmt sie in der jeweils achten Runde zum Monatswechsel sowohl im Einzelhandel als auch im Groß- und Außenhandel.