Hagen. Um den Industriestrompreis tobt ein politischer Kampf. Der FDP-Abgeordnete Carl-Julius Cronenberg will den mit der Genossenschaftsidee befrieden.
Welchen Namen das Kind hat, ist nicht entscheidend: Industriestrompreis, Brückenstrompreis, Transformationsstrompreis – es geht nur um eines: Die Energiekosten am Standort Deutschland verlässlich und langfristig zu senken. Am besten für alle, vom Chemieriesen wie Bayer bis hin zum Bäcker ums Eck. Nicht zuletzt für den standorttreuen und starken Mittelstand, der vom Habeckschen Modell wohl kaum entlastet würde und Investitionen bereits ins Ausland verlagert. Der Arnsberger FDP-Bundestagsabgeordnete Carl-Julius Cronenberg hat genau für diese Unternehmensgruppe eine Idee: „Mittelständische Unternehmen könnten Energie-Einkaufsgenossenschaften gründen, um mit Versorgern auf Augenhöhe langfristige Lieferverträge zu annehmbaren Konditionen zu verhandeln“, lautet sein Vorschlag.
Staatskonzern Uniper soll haften
Bislang hätten einzelne Mittelständler keine Chance, an solche Direktverträge, sogenannte PPA (Power Purchase Agreement), zu kommen. Als Genossenschaft, die entsprechend hohe Mengen Energie einkaufen würde, könnten kleine und mittelgroße Unternehmen attraktive Kunden sein. „PPA wären eine Lösung. Ich bin ziemlich sicher, dass sich so Angebote ergeben würden. Die Chance liegt hier auf dem europäischen Strommarkt“, sagt Cronenberg.
PPA für den Mittelstand schlägt auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in seinem Entwurf vom Mai dieses Jahres zur Entlastung vor, allerdings ohne genauer zu beschreiben, wie kleinere Abnehmer an diese Verträge kommen könnten. Cronenberg hält eine staatliche Risiko-Absicherung für notwendig, damit Energieversorger bereit sind, den Genossenschaften langfristig günstig Strom zu verkaufen. „Der Staat besitzt Uniper. Die sind groß und stark genug, um das Risiko abzusichern.“ Über Uniper abgesicherte Einkaufsgenossenschaften seien eine sinnvolle Brücke bis in die Zeit, wenn der Markt über erneuerbare Energien bei einem Preis von etwa sechs Eurocent pro Kilowattstunde (kWh) angekommen sei.
Sechs Eurocent pro kWh ist die Größenordnung, die Habeck für einen Industriestrompreis zur kurzfristigen Entlastung der Wirtschaft vorschwebt – und die Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) als Subvention ablehnt. Eine Sichtweise, die Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) teilt, wie er am vergangenen Mittwoch beim Unternehmertag NRW in Düsseldorf unmissverständlich klar machte. Damit bringen Scholz und Lindner die versammelte Wirtschaft gerade gegen sich auf.
Ein Beispiel: Christian Küster ist Geschäftsführer des Olper Unternehmens Gebr. Kemper. Produziert werden unter anderem Rotgussartikel und Bänder aus Kupferlegierungen, die für die Energiewende eine große Rolle spielen – alles ausschließlich am Standort Olpe. 800 Beschäftigte zählt Kemper im Sauerland, weitere 100 sind in Vertriebsgesellschaften rund um den Globus für das Familienunternehmen tätig. „Wir konkurrieren mit unseren Produkten weltweit. Mitbewerber sitzen unter anderem in China und den USA, die nur einen Bruchteil unserer Energiekosten haben. Die Unterschiede sind so groß, dass wir bereits spürbar Aufträge verlieren. Derzeit überbrücken wir die Situation mit Kurzarbeit“, sagt Küster. Es ist keine zwei Jahre her, dass das Unternehmen 40 Millionen Euro in die Produktion am Standort Sauerland investierte. Andere Mittelständler entscheiden sich bereits gegen den Standort Deutschland, wenn es um Zukunftsinvestitionen geht.
Küster kritisiert die Politik der Bundesregierung. „Wo wird die Linie gezogen, wenn es um Förderung geht? In Dresden werden zwei Weltkonzerne beim Bau von Chipfabriken mit Milliarden gefördert. In Ordnung, aber das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist der deutsche Mittelstand, der leer ausgeht. Das ist nicht in Ordnung.“ Zumal der Rohstoff für die Kupferbänder in Olpe zu mehr als 60 Prozent aus Schrott gewonnen wird. „Unser Kupferband ist für die Energiewende unerlässlich“, erinnert Küster, dessen Unternehmen bereit wäre, für einen Industriestrompreis auch verbindliche Zusagen zu machen, wie Habeck sie fordert. Für Investitionen in Klimaneutralität sowie eine Standort- und Beschäftigungsgarantie. Aber: „Bis zum Ende dieses Jahres brauchen wir Klarheit.“
Die fordert auch der Bundesverband der Deutschen Gießereiindustrie (BDG). Dessen Mitglieder gehören zu den energieintensiv produzierenden Unternehmen, überwiegend mittelständisch. Eine Branche, in der die Margen schon lange dünn sind. BDG-Energieexperte Christian Schimansky fordert ein einfaches Instrument, das verlässlich die Energiekosten im Voraus für die kommenden zehn Jahre senkt: „Einen Brückenstrompreis mindestens bis 2030.“
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Der Staat habe durch seine Politik – Ausstieg aus der Kohle und Kernenergie – den Markt verknappt und so mit zu Preissteigerungen beigetragen. Deshalb sei es angebracht, dass der Staat jetzt unterstützt. „Wir haben keine Situation, in der wir die Kasse sauber halten können, um den Ludwig-Erhard-Preis zu gewinnen.“ Die von Cronenberg vorgeschlagene Lösung findet der BDG sogar charmant. „Eine feine Sache, aber eher etwas für die Zukunft“, urteilt Schimansky: „2024 muss etwas passieren!“