Düsseldorf. Beim NRW-Unternehmertag in Düsseldorf wehrt Bundeskanzler Olaf Scholz Subventionswünsche ab und bemüht sich um Zuversicht in der Krise.
Olaf Scholz hat schon einmal auf dieser Bühne gestanden. Es ist noch keine zwei Jahre her. Doch es fühlt sich an wie eine schwache Erinnerung aus fernen Zeiten. Im November 2021 wurde Scholz hier in der Düsseldorfer „Rheinterrasse“ beim 75. Geburtstag der SPD-Landtagsfraktion als Hauptattraktion gefeiert. Er kam damals als Überraschungswahlsieger und designierter Bundeskanzler. Corona schien halbwegs im Griff und selbst die Rückkehr der SPD in die NRW-Staatskanzlei nur noch eine Frage von wenigen Monaten.
Als Scholz am frühen Mittwochabend beim NRW-Unternehmertag wieder in der „Rheinterrasse“ ans Rednerpult tritt, ist er zwar erneut die Hauptattraktion. Mehr als 500 Firmenbesitzer, Manager und Verbandsvertreter drängen sich um die runden Tische im Parkett. Das Medienaufkommen ist so groß wie selten bei diesem traditionsreichen Wirtschaftstreff. „Kanzler-Gucken“ zieht noch immer. Doch der Applaus ist allenfalls höflich zu nennen.
Die volkswirtschaftlichen Schleifspuren des Ukraine-Krieges, der endlose Streit der Ampel-Koalition, das bedrohliche Umfragehoch der Rechtspopulisten von der AfD – wer in den Chefetagen an Rhein und Ruhr Verantwortung trägt für Wohlstand, Rendite und Arbeitsplätze, erlebt in diesen Tagen den unruhigen Schlaf des Unternehmers. „Unsere Wirtschaftsleistung geht zurück. Das ist ein fatales Alleinstellungsmerkmal, das uns von allen anderen Industrieländern der Welt unterscheidet“, schleudert Unternehmerpräsident Arndt Kirchhoff dem Kanzler zur Begrüßung entgegen.
Unternehmerpräsident Kirchhoff: „Sprechen Sie hier ein Machtwort!“
Wenige Stunden nach dem neuesten grün-gelben Ampel-Eklat über das „Wachstumschancengesetz“, das Finanzminister Christian Lindner (FDP) nicht wie geplant vorstellen konnte, appelliert Kirchhoff schnörkellos an den Kanzler: „Sprechen Sie hier ein Machtwort!“
Zudem entscheide die Energiepolitik über die Zukunftsfähigkeit des Wirtschafts- und Industriestandorts Deutschland, so Kirchhoff, der selbst einen weltweit tätigen Autozulieferer mit mehreren Tausend Mitarbeitern lenkt. Man brauche einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis von 4 bis 6 Cent. Zudem solle Scholz die Agenda der Ampel-Koalition neu buchstabieren. Nicht immer mehr staatliche Leistungen, sondern mehr Netto vom Brutto für die Millionen Arbeitnehmer. „Deutschland braucht auch eine Agenda für die Fleißigen“, findet Kirchhoff.
Scholz gibt sich trotz der Turbulenzen entspannt
Scholz gibt sich trotz der Turbulenzen entspannt, als lausche er noch immer dem beruhigenden smaragdgrünen Wasserstrom der Verdonschlucht, die er zuletzt im Provence-Urlaub besucht hat. In seiner Rede führt er aus, warum er vom „Gerede von der Deindustrialisierung“ nicht viel hält.
Gewiss: „Unser Staat muss dringend wieder lernen, Tempo zu machen auf allen Ebenen“, sagt er. Drängeln lässt sich Scholz aber nicht: Das in seiner Koalition umkämpfte Wachstumschancengesetz „werden wir in diesem Monat beschließen“, stellt er klar. Die Kabinettsklausur sei der „richtige Moment“ und vielleicht könne man das Gesetz dort „noch ein bisschen schöner“ machen, sagt er ruhig. Das permanente Theater in seiner Regierung? Das Sommerloch hätten nun doch „wirklich andere“ gefüllt, lacht er.
Scholz dämpft Hoffnung auf Konjunkturpakete und künstlich gedrückten Strompreis
Die Hoffnung auf Konjunkturpakete und oder einen künstlich gedrückten Strompreis dämpft Scholz jedoch deutlich: „Ein schuldenfinanziertes Strohfeuer“ oder einen dauersubventionierten Strompreis werde es nicht geben. Auf den dürren Beifall reagiert der Kanzler trocken: Er bedanke sich bei den überzeugten Marktwirtschaftlern im Publikum.
WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock, der die Diskussion mit dem Kanzler moderiert, hakt nach: Ob diese Einlassung als Absage an den seit Monaten diskutierten Industriestrompreis zu verstehen sei? Auch eine Unternehmerin aus der energieintensiven Papier-Branche will wissen, ob und wann überhaupt eine Art Brückenstrompreis zu erwarten sei. Scholz holt weit aus, sagt aber am Ende: „Es geht darum, strukturell die Preise zu senken.“ Wenn es zu Verwerfungen komme, werde der Staat sicher helfen. Aber nach Subventionierung klingt das nicht.
Kanzler Scholz: Deutschland muss Schuldenbremse einhalten
Der Kanzler macht immer wieder deutlich, dass Deutschland die Schuldenbremse einhalten müsse und während der jüngsten Großkrisen „schon ziemlich viel“ Staatshilfe auf Pump gewährt habe. Auch auf die Forderung der Gastronomie nach Beibehaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Speisen lässt er sich deswegen nicht ein: Das müsse man im Spätherbst im Lichte der Haushaltsberatung entscheiden. Punkt.
Scholz lässt sich auch von engagierten Wortbeiträgen von Unternehmern nicht aus seinem Modus bringen. Nach gut 75 Minuten ist der Kanzler wieder weg. Fast programmatisch klingt ein Scholz-Satz nach: „Bedenkenträger und Kassandrarufer gibt es da draußen schon genug.“