Duisburg. Im Ringen um 11.000 Stahl-Jobs bei Thyssenkrupp fordert die IG Metall Zusagen in einem Tarifvertrag. Als Vorbild könnte VW dienen.

Seit der Ankündigung des Vorstands, 11.000 Arbeitsplätze bei Deutschlands größtem Stahlkonzern Thyssenkrupp Steel abbauen oder ausgliedern zu wollen, befinden sich Arbeitnehmervertreter und Manager in Lauerstellung. Doch nun kommt Bewegung in den festgefahrenen Konflikt.

Die IG Metall knüpft Verhandlungen zu den Einschnitten, die der Vorstand plant, an Bedingungen. Es dürfe weder betriebsbedingte Kündigungen noch Standortschließungen geben, sagt der nordrhein-westfälische Gewerkschaftschef Knut Giesler, der seit einigen Wochen auch Vize-Aufsichtsratschef der Thyssenkrupp-Stahlsparte ist. Ende November vergangenen Jahres hatte das Thyssenkrupp-Management um Stahlchef Dennis Grimm indes verkündet, das Werk in Kreuztal-Eichen mit rund 600 Beschäftigten stilllegen zu wollen. Die IG Metall kämpft dafür, die Werksschließung zu verhindern.

Gleichwohl sehen die Arbeitnehmervertreter Handlungsbedarf beim größten deutschen Stahlhersteller, zu dem insgesamt mehr als 27.000 Beschäftigte gehören. Das wird in einem neuen Flugblatt deutlich, das unserer Redaktion vorliegt. „Thyssenkrupp Steel hat Restrukturierungsbedarf. Das sehen wir auch und machen auch niemandem etwas vor“, erklärt IG Metall-Bezirksleiter Giesler in dem Flugblatt. „Wenn nichts passiert, fährt die Bude vor die Wand“, fügt der Vize-Aufsichtsratschef des Stahlkonzerns hinzu. „Deshalb ist es so wichtig, dass wir langsam mal zurande kommen – und uns ein Konzept vorgelegt wird, das den Namen verdient hat.“

IG Metall fordert Informationen und „Garantien“ vom Stahl-Vorstand

Der Stahl-Vorstand solle Informationen und „Garantien“ liefern, fordert Giesler. „Der Vorstand kann nicht darlegen, was er vorhat. Irgendwelche Horrorzahlen zu Arbeitsplätzen, die gestrichen werden müssten, lassen sich leicht in den Raum werfen. Manager haben immer schnell die Kettensäge zur Hand“, so Giesler. „Aber wie will Stahl denn künftig Geld verdienen? Wie wird die ökologische Transformation weiter vorangetrieben? Wir haben viele Fragen. Wir wissen zum Beispiel auch nicht, was der tschechische Investor Kretinsky vorhat.“ Kretinsky ist bereits mit 20 Prozent bei Thyssenkrupp Steel eingestiegen – und könnte weiter zukaufen. „Unseren Fragenkatalog hat er bis jetzt nicht beantwortet“, kritisiert Giesler mit Blick auf den tschechischen Milliardär.

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Es scheint, als wolle sich die IG Metall an Verhandlungen herantasten. Schließlich hatten Arbeitnehmervertreter und Management auch beim Autobauer Volkswagen kurz vor Weihnachten einen Kompromiss erzielt. Bis zum Jahr 2030 werden demnach bei VW mehr als 35.000 Stellen sozialverträglich abgebaut. Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen soll es nicht geben. Die Gewerkschaft IG Metall hatte im VW-Tarifstreit für eine neue Beschäftigungsgarantie für die rund 130.000 Mitarbeiter gekämpft. Eine solche Zusage gibt es nun bis zum Jahr 2030.

Thyssenkrupp-Chef López: Andere haben „gezeigt, dass Lösungen möglich sind“

Lässt sich das VW-Modell grundsätzlich auf Thyssenkrupp übertragen? „Andere Unternehmen in ebenfalls sehr schwierigen Situationen haben in den vergangenen Wochen Wege gefunden. Sie haben gezeigt, dass Lösungen möglich sind, auf die sich alle einigen können“, sagte Thyssenkrupp-Vorstandschef Miguel López vor wenigen Tagen bei der Hauptversammlung – augenscheinlich in Anspielung auf Volkswagen. López beteuerte auch: „Unser Ziel ist es weiterhin, sozialverträgliche Lösungen zu finden und betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.“

NRW-Gewerkschaftschef Knut Giesler (links), hier mit Thyssenkrupp-Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol: „Wir brauchen Garantien für die Beschäftigung und für die Standorte, und zwar über lange Jahre und mit einer echten Perspektive“, fordert Giesler. 
NRW-Gewerkschaftschef Knut Giesler (links), hier mit Thyssenkrupp-Konzernbetriebsratschef Tekin Nasikkol: „Wir brauchen Garantien für die Beschäftigung und für die Standorte, und zwar über lange Jahre und mit einer echten Perspektive“, fordert Giesler.  © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Auf die Frage, wie es jetzt bei Thyssenkrupp Steel weitergehe, antwortet NRW-Gewerkschaftschef Knut Giesler in dem aktuellen Flugblatt: „Jedenfalls nicht so wie bisher.“ Angenommen es käme zu Verhandlungen, dann wäre das Ziel der IG Metall, zusätzliche Sicherheiten für die Belegschaft zu bekommen. „Wir brauchen Garantien für die Beschäftigung und für die Standorte, und zwar über lange Jahre und mit einer echten Perspektive“, fordert Giesler. „Und diese wollen wir verbindlich festgeschrieben haben, in einem Tarifvertrag. Lippenbekenntnisse reichen uns nicht.“

Die Belegschaft von Thyssenkrupp Steel will die IG Metall bei den Verhandlungen einbinden. Wie es sich umsetzen lasse, dass die Beschäftigten „mitreden“ können, diskutiere und organisiere die Gewerkschaft gerade. Entschlossenes Handeln werde angesichts der aktuellen Lage von Thyssenkrupp Steel immer dringender, so Giesler. Umso erstaunlicher sei, dass „der Vorstand nicht in die Hufe kommt“.

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