Essen. Verschandeln Solaranlagen das Gesamtbild eines Denkmals? Das OVG Münster will den Streit endgültig klären. NRW-Ministerium pocht auf Erlass.

Neue Energien auf alten Häusern, in Nordrhein-Westfalen ist das zur Glaubensfrage geworden. Regelmäßig kommt es zu juristischen Auseinandersetzungen, wenn Besitzer denkmalgeschützter Gebäude eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach errichten wollen. Vor Gericht gewinnen die mal die Denkmalschützer, mal die Immobilieneigentümer. Doch kann Denkmalschutz tatsächlich Vorrang haben vor der Klimarettung? Oder andersherum? An diesem Mittwoch (27. November) will das Oberverwaltungsgericht Münster dazu eine Grundsatzentscheidung treffen.

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Zwei Streitfälle will der 10. Senat des obersten Gerichts Nordrhein-Westfalens behandeln. In diesen Verfahren hatten die Gerichte zuvor unterschiedlich entschieden: mal für den Denkmalschutz, mal für den Klimaschutz.

Zum einen geht es um die denkmalgeschützte Golzheimer Siedlung in Düsseldorf. Dort wollte ein Hausbesitzer auf dem Dach seines Einfamilienhauses eine Photovoltaik-Anlage errichten. Dass die Solarzellen von der Straße aus zu sehen gewesen wären, war für die Stadt Düsseldorf der Grund, den Antrag abzulehnen: Sie sah das einheitliche Gesamtbild der Siedlung in Gefahr. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hingegen gab dem Kläger recht. Die Solarpaneelen könnten auch anders angebracht werden. Das öffentliche Interesse am Klimaschutz und dem Ausbau der erneuerbaren Energien aber dürfe nur in Ausnahmefällen dem Denkmalschutz untergeordnet werden.

130 Kilometer entfernt in Siegen tickt die Welt anders. Dort wollte die Besitzerin einer im Jahr 1900 gebauten ehemaligen Schule ebenfalls Photovoltaik auf das Dach setzen, erhielt jedoch keine Genehmigung. Das seit 2005 in der Denkmalliste notierte Gebäude mit schiefergedecktem Turm und drei kleinen Dachgauben sei bedeutend für den Ortsteil, argumentierten die Denkmalschützer. Schützenswert sei das Gebäude, weil es eben eine für das Siegerland typische Dachform aufweise.

Arnsberger Richter: Klimaschutz hat laut Landesgesetz keinen absoluten Vorrang

Anders als in Düsseldorf gab das Verwaltungsgericht in Arnsberg den Denkmalschützern recht. Das Erscheinungsbild des Daches und damit des gesamten Denkmals werde durch die Photovoltaikmodule „erheblich beeinträchtigt“. Es liege kein öffentliches Interesse vor, das die Belange des Denkmalschutzes überlagern würde. In seiner Begründung stellte das Verwaltungsgericht zudem klar: Der Klimaschutz und erneuerbare Energien haben nach dem Landesgesetz keinen absoluten Vorrang.

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Münster soll es nun richten. „Ich hoffe, dass die erwartete Grundsatzentscheidung des Oberverwaltungsgerichts zielführend für eine Interessensabwägung sein kann“, sagt Rechtsanwalt Dennis Wiegard, Spezialist für Baurecht in der Kanzlei Jasper in Essen. In die vor dem OVG behandelten Fälle ist er nicht eingebunden, hatte jedoch in ähnlichen Verfahren gegen Denkmalschützer gewonnen.

„Wenn daraus ein Handbuch für Behörden entsteht, ist das für den Entscheidungsprozess sinnvoll“, sagt Wiegard. „Erneuerbare Energien als Mittel zum Klimaschutz haben in Zeiten der Klimakrise eine besondere Bedeutung erhalten. Lange wurden Anträge von den unteren Denkmalbehörden in den Kommunen strikt abgelehnt. Ich denke, dass es Zeit ist, ihnen den Wind aus den Segeln zu nehmen, denn ich halte Klimaschutz für ein übergeordnetes Interesse.“

NRW-Bauministerium knüpft Rechtsanspruch an Leitlinien

Tatsächlich zählt NRW zu den Bundesländern, in denen es einen Rechtsanspruch auf die Errichtung von Solaranlagen auf Denkmälern gibt. Dieses Recht auf Erlaubnis aber knüpft das NRW-Bauministerium an Leitlinien, die es November 2022 veröffentlichte. Darin heißt es: Solaranlagen, die nicht vom öffentlichen Raum einsehbar sind, seien in der Regel zu erlauben. Sind sie von der Straße aus zu sehen, müssen sie mit dem Erscheinungsbild des Denkmals vereinbar sein und dürfen es nur geringfügig verändern.

Was sich nach einer Geschmackssache anhört, ist für das Handwerk weniger ein Problem. So gibt es die Möglichkeit, mit farblich angepassten Solarziegel, Solarfolien oder in die Dachfläche integrierten Paneelen die Optik einer PV-Anlage „abzumildern“, was die Landesregierung in Form von Nebenbestimmung vorsieht. Wichtig sei jedoch, was in der jeweiligen Denkmalakte stehe, was tatsächlich unter Schutz stehe und was nicht, teilte das Bauministerium auf Anfrage mit.

Landesverband Erneuerbare Energien: Überragendes Interesse unstrittig

„In der Praxis sticht der Ausbau der Solarenergie die Restriktionen des Denkmalschutzes in den allermeisten Fällen“, sagt Max Feldes, Geschäftsführer des Landesverband Erneuerbare Energien (LEE), dieser Redaktion. Zwar müsse die untere Denkmalbehörde jeder Installation nach wie vor eine Erlaubnis erteilen. „Doch es bedarf schon eines sehr ungewöhnlichen Falles, dass dies verwehrt wird.“

Für Peters ist es unstrittig, dass der Ausbau von Erneuerbaren Energien „in einem überragenden öffentlichen Interesse“ stehe. „Es gibt in NRW rund 82.000 denkmalgeschützte Gebäude, und viele der Eigentümer sind froh, ihre Energiekosten durch eine eigene Solaranlage zu senken und dabei auch die Klimabilanz des Gebäudes zu verbessern.“

Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU)

„Ob eine Photovoltaikanlage auf oder an einem denkmalgeschützten Gebäude erlaubnisfähig ist, kann nur im Einzelfall ... entschieden werden.“

Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU)

Das Bauministerium indes bleibt dabei: „Der Denkmalschutz ist in Nordrhein-Westfalen in Artikel 18 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen verankert, es besteht daher kein absoluter Abwägungsvorrang der erneuerbaren Energien gegenüber den Belangen des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege“, teilte ein Sprecher auf Anfrage mit.

Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) betonte, die Entscheidung des OVG zu den Einzelfällen „wird weitere Anhaltspunkte dafür liefern, ob eventuell an der Verwaltungsvorschrift Änderungen vorzunehmen sind“, sagte sie dieser Redaktion. Jedes Denkmal aber sei anders: „Ob eine Photovoltaikanlage auf oder an einem denkmalgeschützten Gebäude erlaubnisfähig ist, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der denkmalwerten Substanz des jeweiligen Denkmals und der Eigenheiten der geplanten Anlage entschieden werden.“