Essen. Trotz Brauer-Flaute wächst Veltins. Chef Michael Huber über die Zukunft des Biers, Köpi, Stauder, Fiege und den Hauptsponsor bei Schalke.

29 Jahre hat Michael Huber die Grevensteiner Brauerei Veltins geführt. Zum Jahresende nimmt er im Alter von 75 Abschied. Im Interview spricht er über den Trend zum alkoholfreien Bier, die Wettbewerber Köpi, Stauder und Fiege und natürlich über den kriselnden Fußball-Zweitligisten Schalke 04, den Veltins seit 1997 als Sponsor unterstützt.

Herr Huber, der Bierabsatz in Deutschland ist in den vergangenen 30 Jahren um mehr als ein Viertel zurückgegangen. Haben Sie eine Erklärung, warum den Menschen das Pils nicht mehr so gut schmeckt?

Michael Huber: Das Pils hat immer noch einem Marktanteil von etwas über 50 Prozent. In den vergangenen Jahren hat der Wein an Bedeutung gewonnen. Es sind aber auch zahlreiche Mixgetränke hinzugekommen, die zum Teil auch von Brauereien hergestellt werden. Ich glaube aber, dass der Bierkonsum einen Bodensatz erreicht hat. Es wird ganz sicher nicht vom Markt verschwinden.

Bei Veltins gingen die Braumengen entgegen dem allgemeinen Trend weiter nach oben. Was machen Sie besser als die Konkurrenz?

Huber: In der Tat haben wir entgegen der allgemeinen Entwicklung des Marktes dazugewonnen. In den vergangenen 25 Jahren ist der Ausstoß von Veltins um 40 Prozent und der Umsatz sogar um 150 Prozent gewachsen, während fast alle Wettbewerber verloren haben. Hinter diesem Erfolg steht das hohe Maß an Kontinuität in der Führung und in der Belegschaft. Wir alle ticken und denken gleich und waren mit unseren neuen Produkten mutiger und der Konkurrenz immer einen Schritt voraus.

Der Bierkonsum geht zurück, dafür wird immer mehr alkoholfreies Bier getrunken. Stecken dahinter nur die Autofahrer?

Huber: Alkohol gilt in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend als verpönt. Oftmals wird der Konsum tatsächlich auch übertrieben. Das ist natürlich nicht in Ordnung. Allerdings bekommen die Brauereien auch den demografischen Wandel zu spüren. Junge Leute sind schwerer für Bier zu begeistern. Sie bevorzugen Long Drinks und Mixgetränke. Und die älteren Biertrinker schränken ihren Verbrauch naturgemäß ein.

Michael Huber war 29 Jahre Generalbevollmächtigter bei Veltins. Ende des Jahres verlässt er mit 75 die Brauerei.
Michael Huber war 29 Jahre Generalbevollmächtigter bei Veltins. Ende des Jahres verlässt er mit 75 die Brauerei. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Beim Brauprozess wird der Alkohol in einem zusätzlichen Arbeitsschritt entzogen. Müsste deshalb alkoholfreies Bier nicht teurer angeboten werden als alkoholhaltiges?

Huber: In der Tat sind die Produktionskosten für alkoholfreies Bier deutlich höher. Auch die wegfallende Biersteuer kompensiert den höheren Aufwand nicht.

Wie hat sich die hohe Inflation der letzten Jahre auf die Bierpreise ausgewirkt?

Huber: Den Verkaufspreis können die Brauereien nicht beeinflussen. Diese Entscheidung trifft allein der Handel. Für Supermärkte und Getränkecenter sind Sonderangebote für Bier immer noch ein wichtiges Marketinginstrument. Es ist schon auffällig, dass bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland der Kasten Veltins ebenso für 9,99 Euro zu kaufen war wie bei der EM 2024.

Aber auch die Brauereien müssen mehr für Strom, Gerste, Malz und Hopfen bezahlen.

Huber: Ja. Der Höhepunkt war im vergangenen Jahr, als unsere Rohstoffe um bis zu 400 Prozent teurer geworden waren. Deshalb haben viele Brauereien 2023 die Preise erhöht. Um uns von den hohen Energiepreisen zu entkoppeln und autark zu werden, plant Veltins in Grevenstein den Bau von sieben Windrädern. Wir wollen dafür 62 Millionen Euro investieren. Aber leider ist es sehr schwer, die Genehmigungen zu bekommen. Die Antragsverfahren dauern sehr lange. Das ist sehr ärgerlich.

Veltins gönnt sich Glasflaschen mit erhabenen Buchstaben, die andere Brauereien nicht nutzen können. Wären einheitliche Flaschen nicht nachhaltiger?

Huber: Unsere Flaschen sind auch ein Marketinginstrument, die Wettbewerber wie Bitburger oder Krombacher ebenfalls im Einsatz haben. Die Haptik trägt auch zu unserem Erfolg bei. Bei der Kaufentscheidung kommt es inzwischen auch auf die Gestaltung der Kronkorkens und des Kastens an. Bier ist eben auch ein Lebensgefühl geworden.

Zuletzt hat Veltins im Sommer ein helles Lager auf den Markt gebracht. Ist mit weiteren Innovationen zu rechnen?

Huber: Es ist gar nicht so leicht, alternative Biere zu brauen. Zu viele Änderungen wollen die Verbraucher auch gar nicht. Den einst angesagten Produzenten von Craftbieren mit Bananen- oder Schokoladengeschmack etwa ist schnell die Luft ausgegangen. Ich glaube aber, dass der Trend weg von gehopften, also bitteren und hin zu süffigen Bieren geht. Mit dem hellen Lager von Veltins sprechen wir auf diese Weise viele Frauen an. Die Verteilung ist 50 zu 50. Das ist bei der eher männlich geprägten Bier-Kundschaft ungewöhnlich.

Hinter Krombacher und Bitburger belegt Veltins in Deutschland unter den Premium-Biermarken den dritten Platz. Geht da noch mehr?

Huber: Die Chance ist ohne Zweifel da. Ich hoffe, die Mannschaft, die nach mir Verantwortung übernimmt, erreicht Platz 2.

Unter den Top 10 der Premium-Biere taucht keines aus dem Ruhrgebiet auf. Selbst König Pilsener aus Duisburg hat das Oberhaus verlassen.

Huber: Das ist sehr traurig. Köpi war mal eine tolle Marke. Eine Marke verliert aber an Kraft, wenn man sie nicht kontinuierlich pflegt. Das ist ausgeblieben, nachdem das ehemalige Familienunternehmen zunächst an Holsten und dann an Bitburger verkauft wurde. Dort kommt Köpi als eine von mehreren Marken nicht mehr richtig zur Geltung.

Wie schätzen Sie die Position von Stauder aus Essen und Fiege aus Bochum ein?

Huber: Man muss einfach bewundern, was diese beiden Familien-Brauereien leisten. Sie haben es schwer zu wachsen, weil sie ihre Biere regional vermarkten. Diese Unternehmen sind aber gut für die Vielfalt am Biermarkt. Sie dürfen ihre Seele nicht verlieren. Wir sehen gerade, dass in Süddeutschland manche kleine Brauereien aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben müssen.

Gesellschafterin Susanne Veltins mit ihrem Generalbevollmächtigten Michael Huber im Jahr 2019.
Gesellschafterin Susanne Veltins mit ihrem Generalbevollmächtigten Michael Huber im Jahr 2019.

Veltins ist nicht nur Namensgeber der Gelsenkirchener Arena, sondern auch Trikotsponsor des FC Schalke 04 gewesen. Betrübt Sie die aktuelle sportliche Krise des Fußball-Zweitligisten – ausgerechnet zu einer Zeit, in der Veltins das 200. Firmenjubiläum feiert?

Huber: Natürlich ist man enttäuscht, wenn die sportlichen Erfolge ausbleiben. Deshalb lässt man den Verein aber nicht gleich fallen. Veltins ist immerhin seit 1997 Sponsor. In dieser langen Zeit hat Schalke unserer Marke auch geholfen und zum wirtschaftlichen Erfolg beigetragen.

Werden Sie Schalke treu bleiben?

Huber: Veltins ist inzwischen die wesentliche Konstante bei Schalke. Wir haben über die Jahrzehnte mehr als 100 Millionen Euro in den Verein investiert. Wir wollen weiter zu Schalke stehen. Sollte die Mannschaft erneut absteigen, werden wir natürlich über die Konditionen reden müssen. Mit Rudi Assauer habe ich Verträge per Handschlag abgeschlossen. Das funktioniert heute leider nicht mehr.

Haben Sie einen fachmännischen Rat, wie es sportlich besser laufen könnte?

Huber: Sponsoren haben keinerlei Mitspracherecht.

Im Sommer hatte Schalke den österreichischen Gesundheitssnack-Anbieter Sun als Hauptsponsor präsentiert. Der Geschäftsführer gilt als vorbestraft und soll dubiose Geschäftsideen verfolgen. Wie stehen Sie zu dem Sponsoren-Vertrag?

Huber: Ich kann nicht beurteilen, ob das Modell nachhaltig ist. Ich persönlich kann nicht nachvollziehen, dass ein Unternehmen, das nach eigenen Angaben 30 Millionen Euro Umsatz macht, jährlich rund vier Millionen Euro Sponsorengeld für Schalke zur Verfügung stellen kann.

Herr Huber, nach 29 Jahren scheiden Sie in wenigen Wochen bei Veltins aus – im Alter von 75 Jahren. Ist das ein Lebensentwurf, den Sie anderen empfehlen?

Huber: Ich war ja nie Angestellter. Ich bin Unternehmer und habe die Brauerei als Generalbevollmächtigter geführt. Frau Veltins als Gesellschafterin hat mir alle Freiheiten gegeben. Das hat einfach Spaß gemacht. Der Abschied fällt deshalb nicht leicht. Der Zeitpunkt ist aber richtig. Ich bin ein Menschenanfasser und kein Technologe, der auf Künstliche Intelligenz setzt. Aber gerade ändern sich die Methoden der Unternehmensführung. Sie sind nicht aufzuhalten. Es ist Zeit zu gehen.

>>> Zur Person: Michael Huber

In Studienzeiten legte Michael Huber als Discjockey leidenschaftlich Platten auf. Beruflich verschlug es ihn aber ganz andere und sehr unterschiedliche Branchen. Statt zu Ende zu studieren, stieg er zunächst als Vertriebler beim Marmeladenhersteller Schwartau ein.
Danach baute Huber die Spedition Interspe Hamann Group auf. Im Jahr 2006 verkaufte er sie an Rhenus. Zwischenzeitlich hatte ihn bereits Susanne Veltins zum Generalbevollmächtigten ihrer Brauerei gemacht.
Wenn Huber dort nun 75-jährig ausscheidet, wird das für ihn nicht Ruhestand bedeuten. Der Unternehmer ist Gesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender des Beleuchtungsherstellers Trilux in Arnsberg.