Schmallenberg-Oberkirchen. Die Veltins-Brauerei muss ein Minus beim Bier-Ausstoß hinnehmen. Für Veltins-Boss Michael Huber ist klar, wer dafür auch Verantwortung trägt.
Es ist nicht lange her, da freute sich Veltins über ein „furioses Jahr“, feierte einen Rekordabsatz. Trotz Energiekrise. Das war vor sechs Monaten, als die Bilanz für 2022 vorgestellt wurde.
Nun, Anfang Juli 2023, ist die Stimmung bei der Privatbrauerei aus Grevenstein eine andere – was nicht so sehr an einer negativen Halbjahresbilanz liegt, sondern vielmehr am zunehmenden Ärger über die Bundesregierung, insbesondere über Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Für die ersten sechs Monaten dieses Jahres konnte Veltins zwar mit 1,67 Millionen Hektolitern (hl) den zweitstärksten Halbjahresausstoß der Firmengeschichte sowie positive Entwicklungen beim Fassbiergeschäft (+ 9,5 Prozent) und beim Hellen Pülleken (+ 5,5) vermelden. Unter dem Strich steht aber ein Rückgang beim Gesamtausstoß von 1,8 Prozent. „Wir hatten ein noch größeres Minus eingeplant“, bekannte der Veltins-Generalbevollmächtigte Michael Huber, der 2023 zum Jahr der Konsolidierung ausgerufen hat. In Anbetracht der Umstände zeigten sich die Sauerländer, die im kommenden Jahr 200-jähriges Brauerei-Jubiläum feiern, nicht unzufrieden mit dem Halbjahresergebnis.
Breitseite gegen Ampel
Das Minus, mit dem Veltins etwas besser als der deutsche Biermarkt insgesamt abschloss (-3,3 Prozent zwischen Januar und Mai), ist bilanziell vor allem auf das schwächelnde Flaschenbiergeschäft zurückzuführen (-6,4 Prozent). Nach Lesart von Veltins aber ist die rückläufige Entwicklung insbesondere Folge einer durch die Politik der Bundesregierung ausgelösten Verunsicherung der ohnehin von Preissteigerungen geplagten Bürger, die den Rotstift als Erstes bei einem „emotionalen Produkt“ (Huber) wie Bier ansetzten.
Die Diskussionen um die federführend von Robert Habeck vorgelegte Heizungsreform sowie die Inflation hätten die Konsumfreude der Verbraucher gebremst. Huber sprach von „politischen Verwirrungen“ in der Ampelkoalition und einer „absoluten Fehlleistung“ der Regierung in Berlin. „Wir haben mit unserem Bundesheizungsminister ein Problem, wenn er nicht das Vertrauen unserer Verbraucher zurückgewinnt, dass sie von einem fairen Preis und einer fairen Kostensteigerung ausgehen können“, sagte der 74-Jährige.
Zudem stören die Sauerländer Debatten um eine Verschärfung der Regelungen des Sponsorings bei Alkohol, wie im Koalitionsvertrag vereinbart. Veltins ist unter anderem Namenssponsor der Arena von Fußball-Zweitligist FC Schalke 04. Wer glaube, dass etwa durch ein Verbot eines solchen Namenssponsorings Jugendliche sich von Bier fernhielten, habe „einen Vogel. Kein Mensch interessiert das, wenn das Ding (der Veltins-Schriftzug auf der Arena., d. Red.) runter ist. Deswegen saufen die nicht eine Pulle weniger. Das ist totaler Schwachsinn“, schimpfte Huber. Damit war die Kritik des Veltins-Chefs, der auch von einer „Verbotsregierung“ in Berlin sprach, allerdings noch nicht beendet.
Sorge wegen Mehrwegplänen für Discounter
Pläne von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), dass unter anderem Discounter künftig bei gewissen Produkten wie Bier mindestens eines mit Mehrwegverpackung anbieten sollen müssen, verfolgt Veltins mit Sorge. „Wir richten uns darauf ein, dass es passieren wird, und das wird den Markt wesentlich verändern“, sagte Huber.
In Grevenstein fürchtet man bei einer Einführung der Mehrwegpflicht in Discount-Supermärkten einen Verdrängungswettbewerb (inklusive Preiskampf), schließlich sei der Platz für Mehrwegkästen-Biere im Sortiment von Aldi, Lidl und Co. – anders als in den größeren Getränkemärkten – begrenzt. Wie viele Marken aber landen dann dort – und welche?
Hinzu kommt, dass eine Aufnahme ins Sortiment bei den Discountern die – seit Jahren rückläufige – Nachfrage nach Bier kaum vergrößern dürfte. „Die Mengen, die dort dann laufen, werden dem Markt weggenommen, wir wachsen nicht insgesamt, sie werden verlagert“, prognostizierte Huber.
Handel ruft nach Preissenkung
Der Veltins-Chef erteilte zudem den zwar „verständlichen“ Forderungen des Handels nach einer Preissenkung dennoch eine Absage. Auch wenn Energie nach der Preisexplosion im Vorjahr wieder günstiger geworden sei und Ähnliches für weitere Produktionsfaktoren gelte, seien die Kosten der Brauer noch immer deutlich höher als vor eineinhalb Jahren.
So hätten Flaschen beispielsweise in den Hochzeiten der Krise 23 Cent gekostet, nun seien es 18 Cent – und damit sieben Cent mehr als früher. Für Kronkorken habe man im vergangenen Jahr 120 Prozent mehr bezahlen müssen, jetzt seien es immer noch 50 Prozent mehr. Ähnlich verhalte sich das bei Kohlensäure, Etiketten, Hopfen, Fässern, Bierkisten, Strom oder Gas. Die gestiegenen Lohnkosten nicht zu vergessen.
„Wir glauben nicht, dass wir den früheren Kostenstatus jemals wieder erreichen werden. Es kann lange Zeit auf deutlich höherem Niveau bleiben“, sagte Huber, der aufgrund der Vielzahl an Herausforderungen von einer „neuen Normalität in der Brauwirtschaft“ sprach.
„Zurzeit“ keine Preiserhöhung – Pülleken bald vom Fass
Immerhin: Nach zuletzt zwei Preiserhöhungen binnen zwölf Monaten, welche die gestiegenen Kosten laut Huber dennoch nicht gedeckt hätten, ist wohl seitens der Brauerei erst einmal keine weitere Verteuerung geplant.
„Das würde der Verbraucher zurzeit nicht akzeptieren. Wir müssen an uns arbeiten“, sagte Huber, der bekräftigte, als Konsequenz aus der Energiekrise in den nächsten zehn Jahren einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in die eigene Energiewende des Unternehmenszu investieren.
Positiv außerdem für alle Fans des Pülleken, das bereits im Vorjahr kräftig zugelegt hatte (+25,5 Prozent): Den neuen Veltins-Liebling gibt es ab September in der Gastronomie erstmals frisch vom Fass (in 30 Liter Fässern).
<<< Das Veltins-Ergebnis des ersten Halbjahres 2023 im Überblick: >>>
Gesamtausstoß: 1,67 Millionen Hektoliter (im ganzen Jahr 2022: 3,3 Millionen hl)
- Fassbier Pils: 199.130 hl (+10,4 Prozent)
- Flasche: 879.420 hl (-6,4)
- Dose: 96.730 (+3,0)
- V+ (alle Sorten): 187.490 hl (+7,9)
- Grevensteiner: 87.290 hl (-16,3)
- Helles Pülleken: 130.870 (+5,5)