Berlin. Olaf Scholz und Robert Habeck reisen am Donnerstag nach Indien. Das Land könnte für die deutsche Wirtschaft eine Alternative zu China werden.
Noch existiert keine echte die Wasserstoff-Wirtschaft, aber sie scheint zu kommen. Einer von vielen Startschüssen fiel kürzlich mit der Absichtserklärung des deutschen Energiekonzerns RWE und des indischen Unternehmens AMG, ab 2027 grünes Ammoniak zu produzieren und zu vermarkten. Bis zu 250.000 Tonnen des klimaneutralen Roh- und Brennstoffs will die Handelstochter der Essener Firma dann pro Jahr aus Indien beziehen.
Das Ammoniak wird als „grün“ bezeichnet, wenn es mit Strom aus Wind-, Solar- und Wasserkraftwerken produziert wird, ohne Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids. Hierzulande kann es dann beispielsweise eingesetzt werden, um Dünger herzustellen, oder, nach weiterer Umwandlung, grünen Wasserstoff für die Stahlerzeugung liefern.
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Scholz und Habeck reisen nach Indien – es geht auch um neue Kooperationen
Mehr solcher Beispiele könnten folgen, wenn ab Donnerstag die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi stattfindet. Teilnehmen werden unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Wobei es bei dieser Veranstaltung nicht nur um Kooperationen mit Indien geht, sondern weitere Staaten im Fokus stehen, etwa Vietnam, Indonesien und Singapur.
Angesichts der brisanten internationalen Lage handelt es sich nicht nur um eine von vielen Wirtschaftskonferenzen. Die Veranstaltung ist eingebettet in die Neudefinition deutscher und europäischer Kooperation weltweit. Im Hintergrund stehen der russische Angriff auf die Ukraine und die Bedrohung des unabhängigen Staates Taiwan durch die Volksrepublik China. Viele Firmenvorstände fragen sich, wie sie reagieren sollten, wenn der Konflikt zwischen den beiden Ländern eskalieren würde. Eine Antwort sind „China plus eins“-Strategien: Die Unternehmen versuchen ihre Aktivitäten in und mit der Volksrepublik auszubalancieren, indem sie bestimmte Geschäfte in andere Staaten verlagern oder dort neue ansiedeln. Hier kommt auch Indien ins Spiel.
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Deutschland treibt immer regeren Handel mit Indien
„Indien gehört zu den am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt, was deutschen Unternehmen neue Chancen insbesondere in Bereichen wie Maschinenbau, Automobilindustrie, Informationstechnologie und erneuerbare Energien bietet“, erklärt der Bundesverband Groß- und Außenhandel (BGA). Momentan ist die wirtschaftliche Kooperation mit dem Subkontinent auf einem guten Weg. 2023 wuchs das Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien auf rund 30 Milliarden Euro – um fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die deutschen Importe von dort veränderten sich kaum, während die Exporte deutlich stiegen.
Wichtige deutsche Exportprodukte sind etwa Maschinen, Flugzeuge und Elektrotechnik. Importiert wurden aus Indien etwa viele chemische Erzeugnisse, Arzneimittel und Bekleidung. Die Kooperation im Bereich der erneuerbaren Energien nimmt zu. „Deutsche Unternehmen sind sehr daran interessiert, ihr Engagement in Indien zu vertiefen“, sagt Friedolin Strack vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Nicht zu vernachlässigen ist auch, dass die Bundesregierung mehr Fachkräfte aus Indien nach Deutschland holen möchte, um hier den Personalmangel zu lindern.
Indien bietet für die deutsche Wirtschaft viele Vorzüge
Für den verstärkten wirtschaftlichen Austausch spricht, dass Indien mittlerweile als Land mit der größten Bevölkerung weltweit eingestuft wird. Mehr als 1,4 Milliarden Menschen leben dort, angeblich etwas mehr als in China. Der Markt des Subkontinents, der deutsche Produkte aufnehmen könnte, ist theoretisch also riesig. Technologisch befindet sich die indische Wirtschaft teilweise auf dem Stand Europas, was die Kooperation erleichtert. Und es handelt sich grundsätzlich um einen demokratischen Rechtsstaat.
Hinderlich auswirken könnte sich jedoch, dass Hunderte Millionen Inderinnen und Inder noch sehr arm sind. Teure deutsche Konsumgüter wie große Autos können sich die meisten nicht leisten. Außerdem ist die indische Verwaltung für ihre überbordende Bürokratie bekannt. Und teilweise versucht der Staat, ausländische Konkurrenzprodukte von seinem Binnenmarkt fernzuhalten.
Unter dem Strich sehen viele Experten jedoch mehr Chancen als Risiken. Nicht nur die Bundesregierung will die Beziehungen voranbringen, auch die Europäische Union. Sie bereitet ein Freihandelsabkommen vor, um gegenseitige Zölle zu senken und den Austausch zu erleichtern. Wirtschaftsverbände sprechen sich dafür aus, die Verhandlungen zu beschleunigen. „Dies ist ein Spiel, in dem es nicht nur um Märkte und strategische Rohstoffe geht. Es geht auch um Multilateralismus und Demokratie, um die geopolitische Balance“, sagt BGA-Präsident Dirk Jandura. Abzuwarten bleibt, wie schnell das Vorhaben vorankommt – das EU-Freihandelsabkommen mit Südamerika ist seit Jahren mehr oder weniger fertig, doch die Europäer können sich nicht durchringen, es endgültig anzunehmen.
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