Berlin. Deutsche Unternehmen sollen sich von China wegorientieren, viele wollen das auch. Nur: Mit wem sollen sie stattdessen Geschäfte machen?
Einen speziellen Service hat die deutsche Außenhandelskammer in China eingerichtet. Unternehmen erhalten dort Unterstützung, wenn sie sich von China wegorientieren wollen. Das muss keine Beratung für den kompletten Abschied sein, aber es geht doch darum, gewisse Geschäftsaktivitäten in anderen Staaten jenseits der chinesischen Grenzen anzusiedeln.
„China plus Eins“ heißt diese Strategie. In einer Umfrage der Außenhandelskammer gab unlängst fast die Hälfte der Firmen an, sie wolle ihr Geschäftsrisiko verringern. Ein Mittel besteht darin, Aktivitäten wie Management, Forschung oder Produktion auf mehrere geografische Füße zu stellen. Die Diversifizierungsstelle der Kammer schlägt dafür besonders Indien, Japan, Südkorea, Thailand, Singapur und Vietnam vor.
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Wenn in China tätige deutsche Unternehmen ihre Konzentration auf dieses Land reduzieren wollen, kann das mehrere Gründe haben. Der Konflikt um den unabhängigen Staat Taiwan, den die chinesische Regierung einverleiben will, spielt eine prominente Rolle. Unternehmensvorstände fragen sich, was sie tun würden, sollten sich die Spannungen verschärfen, die USA und Europa harte Sanktionen gegen China verhängen. Auch die im Vergleich zu früher lahme Wirtschaftsentwicklung in dem Riesenreich bereitet Sorgen.
Bundesregierung fordert ein „De-Risking“ der deutschen Wirtschaft
Deutliche Worte findet die Bundesregierung in ihrer China-Strategie. Sie warnt vor einer Politik der Regierung in Peking, die „wirtschaftliche und technologische Abhängigkeiten schaffen“ wolle. Etwa bei seltenen Metallen, Lithiumbatterien, Photovoltaik oder pharmazeutischen Wirkstoffen seien diese heute bereits vorhanden. Um die ökonomische Souveränität der deutschen Wirtschaft wiederzugewinnen oder zu erhalten, fordert die Regierung ein „De-Risking“, also eine bessere Risikostreuung. „Das Ziel ist dabei, ausgewogene Partnerschaften in Asien auf- und auszubauen, ohne sich gegenüber China zu verschließen.“ Konkret bedeutet das: Deutsche und europäische Firmen brauchen neue Partner.
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Zum Beispiel Vietnam. Dort arbeitet seit einem Jahr eine neue Fertigungsstätte der Firma RRC Batterien. Das Unternehmen aus dem saarländischen Homburg produziert unter anderem Stromspeicher für Roboter, Drohnen, Geräte der Medizin- und Verteidigungstechnik. Das neue Werk diene der „Diversifizierung unserer Lieferanten- und Produktionsbasis in China und Taiwan“, erklärt RRC. Mit Hilfe von Vietnam „können wir mögliche Störungen in der Lieferkette besser abfedern und eine kontinuierliche und zuverlässige Belieferung sicherstellen“.
Die deutsche Außenhandelskammer in Vietnam kennt zahlreiche weitere Beispiele. Man verzeichnet 530 Investitionsprojekte von über 100 deutschen Firmen. Diese böten mittlerweile fast 50.000 Arbeitsplätze. Einen Schwerpunkt bilden Beratungsunternehmen, aber auch die Produktion in Branchen wie Maschinen, Textil, Chemie und Elektronik ist stark. Unter anderem Fahrzeugzulieferer Bosch, Industriegas-Hersteller Messer und Arzeneimittel-Produzent Stada arbeiten in dem südlichen Nachbarland Chinas. „Das stärkste Motiv für die neuen Produktionsansiedlungen sind China-plus-Eins-Strategien“, schreibt die Handelskammer.
Erfolgsversprechende Geschäftspartner in Asien: Vietnam und Indien
Ein weiteres potenzielles Ziel ist Indien. Mit 1,4 Milliarden Einwohnern bietet das Land einen ähnlich großen Markt wie China, wenngleich es noch deutlich ärmer ist. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) soll dort Ende Oktober die Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft leiten. „Deutsche Unternehmen könnten von einer stärkeren Zusammenarbeit mit Indien profitieren, das Land bietet sich etwa an als Standort für die Halbleiter- und Pharma-Produktion“, sagt Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer in Berlin. „Auch bei Forschung und Entwicklung für digitalisierte Mobilität gibt es Potenzial.“
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Der Handel zwischen Deutschland und Indien hat moderat zugenommen und lag 2023 bei immerhin gut 30 Milliarden Euro. Importiert wurden von dort unter anderem Chemikalien, Medikamente, Maschinen und Bekleidung. Im Export nach Südasien spielten Maschinen, Flugzeugteile, Chemieprodukte, Elektrotechnik und Fahrzeugteile eine große Rolle. Um Indien als Handelspartner zu stärken, arbeitet die Europäische Kommission an einem Handelsabkommen, wobei die Verhandlungen wohl noch längere Zeit in Anspruch nehmen werden.
Bei der Suche nach neuen Partner ist aber Realismus geboten. Denn die Bedeutung Chinas als Handelspartner und Standort deutscher Unternehmen ist so groß, dass es schwerfällt, ihn schnell neu auszutarieren. Im vergangenen Jahr betrug das gemeinsame Handelsvolumen (Import plus Export) über 250 Milliarden Euro. Mit etwa acht Prozent des gesamten deutschen Außenhandels war das Land damit der größte Gegenpart.
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Das Handelsvolumen mit den aufstrebenden Ländern ist gering
Indien und Vietnam rangieren viel weiter hinten. Ihre Anteile am deutschen Handelsvolumen machten ein Prozent und 0,5 Prozent aus. Da müsste der deutsch-indische oder deutsch-vietnamesische Austausch schon rapide zulegen, um nennenswert aufzuholen. Mit anderen aufstrebenden Staaten wie Mexiko, Südafrika oder Brasilien verhält es sich ähnlich. Allerdings könnte eine Gruppe solcher neuer oder zusätzlicher Partner gemeinsam durchaus ein Gegengewicht zu China bilden.
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Gibt es dafür einen Plan? Durch ihre China-Strategie weiß die Bundesregierung zwar mittlerweile, was sie nicht mehr will – wohin die Reise gehen soll, erscheint aber noch nicht so klar. „Soweit wir wissen, verfügt die Bundesregierung über keine ausgearbeitete Strategie, um mehr Handel mit Indien, Brasilien und anderen aufstrebenden Staaten zu generieren und ihn damit vom chinesischen Markt weg zu diversifizieren“, sagt Rolf J. Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft der Universität Kiel.